Generali-Boss: „Wir klassifzieren unsere Kunden genau“

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Peter Thirring ist froh, „nur“ 30 Prozent des Prämienvolumens aus der Lebensversicherung zu lukrieren. Denn das niedrige Zinsniveau macht der Branche zu schaffen.

Die Presse: Das niedrige Zinsniveau ist für die Versicherungsbranche zu einem ernsten Problem geworden. Die Sparte der Lebensversicherung, die mit garantierten Zinssätzen operiert, ist davon massiv betroffen. Wie ist die Lage bei der Generali?

Peter Thirring: Wir sind heute froh darüber, ein stärkerer Schaden- und Unfallversicherer als Lebensversicherer zu sein. Erstgenannter Bereich macht um die 55Prozent des Prämienvolumens, die Lebensversicherung etwas über 30 Prozent aus.

Dennoch kein unwesentlicher Teil des Geschäfts.

Ja, aber bei dem Problem geht es ausschließlich um die klassische Lebensversicherung, bei der es garantierte Zinsen gibt. Für uns als Versicherer ist aber nicht der im Einzelfall garantierte Zinssatz relevant, sondern der durchschnittliche Garantiezins. Der liegt in Österreich in der Versicherungswirtschaft bei 2,6 bzw. 2,7 Prozent.

Von diesem Zinssatz können wir derzeit nur träumen.

Für uns ist aber eine langfristige Betrachtung von 25 bis 30 Jahren maßgeblich. Was wir heute veranlagen, macht ja nur einen kleinen Teil unseres gesamten Deckungsstocks aus. Aber natürlich, wenn das Niedrigzinsniveau die nächsten 20 Jahre andauert, würde es schwieriger. Wäre das so, würden wir natürlich neue Polizzen mit einem viel niedrigeren Zinssatz verkaufen. Mit dieser Durchmischung würde der durchschnittliche Garantiezins weiter sinken.

Was das Produkt für den Kunden nicht attraktiver macht. Aber die Versicherungen trachten ohnehin, fondsgebundene Versicherungen an den Mann zu bringen.

Die garantierten Zinssätze sind nach wie vor gefragt. Aus Sicht des Kunden ist es aber sinnvoll, Fondsanteile beizumischen, damit die Ertragschancen höher werden.

Diese neuen Produkte sind viel komplexer als klassische Lebensversicherungen. Wie stellen Sie sicher, dass der Vertrieb wirklich versteht, was er seinen Kunden anbietet? Fehlberatung ist enorm haftungsträchtig.

Das ist ein wesentlicher Punkt, den Sie ansprechen. Entscheidend ist, dass wir alle Arbeitsabläufe und Ausbildungsmaßnahmen so gestalten, dass der Vertrieb richtig verkauft. Das hat nicht nur mit der Bildung des Einzelnen, sondern auch mit der Gestaltung unserer Angebote zu tun. Wir klassifizieren unseren Kunden genau, damit wir einschätzen können, ob er sich auskennt oder nicht. Je nachdem bieten wir ihm verschiedene Produkte an. Das Ganze wird deutlich komplexer, das ist keine Frage. Aber wir müssen als Versicherung einfach verhindern, dass wir Kunden, die in der Materie nicht so firm sind, in riskante Produkte hineintreiben. Deshalb bieten wir ihm nur das an, was seinen Vermögensverhältnissen und seinem Wissensstand entspricht.

Wie können Sie den Wissensstand Ihrer Kunden beurteilen?

Das geht schon. Unsere Vermittler kennen ihre Kunden und wissen, ob sie für das eine oder andere Produkt geeignet sind. Aber noch einmal zu der Haftung bei der Beratung: Ein wesentlicher Punkt, damit es gar nicht so weit kommt, ist die Vorauswahl der Fonds. Wir verkaufen nur Fonds, die vom Risiko her einschätzbar sind. Extrem spekulative Fonds bieten wir überhaupt nicht an, das ist nicht die Aufgabe einer Versicherung.

Viele Versicherungen verkaufen ihre Produkte aus Kostengründen immer weniger über eigene Mitarbeiter, sondern über Agenturen und Makler. Wie hält es die Generali?

Weit über 50 Prozent verkaufen wir über den eigenen Vertrieb. Wir halten auch viel davon, denn – Stichwort Haftung – der angestellte Außendienst ist für uns besser steuer- und kontrollierbar.

Und er kostet viel.

Er kostet etwas mehr, aber die Vorteile überwiegen, denn – abgesehen von der Kontrolle – auch das Service ist viel besser.

Die Generali ist eine der wenigen Versicherungen, die sich noch eine eigene Bank leisten. Wozu?

Das resultiert aus einer Überlegung der Vergangenheit. Die Bank ist sehr klein und wird auch nicht ausgebaut werden. Sie wickelt zwar das Kreditportefeuille ab, vergibt aber keine neuen Kredite mehr. Für den Vertrieb unserer Produkte war sie nie relevant.

In Deutschland befindet sich die Generali mitten in einem Großumbau. Ist Ähnliches in Österreich zu erwarten?

Nein, Deutschland hatte eine personell sehr stark ausgebildete Holding. Die brauchte man aber in der Form nicht mehr, nachdem der Konzern sein Head Office in Mailand stark aufgestockt und viele Funktionen übernommen hat. In Österreich ist das anders. Wir haben zwar eine Holding, aber keinerlei Doppelfunktionen. Es gibt daher nichts zu bereinigen. In Österreich gibt es andere Herausforderungen.

Welche?

Jene, ständig die Effizienz steigern zu müssen. Organisatorisch haben wir die wichtigsten Maßnahmen schon getroffen, indem wir etwa eine zentrale Verwaltung geschaffen haben. Aber wir müssen in allen Bereichen die Automatisation wesentlich stärker vorantreiben. Wir wollen die Effizienz steigern, um auf der Kostenseite weiter runter zu kommen. Wobei, der große Wurf ist bei uns nicht mehr drinnen. Wir sind nämlich schon sehr gut aufgestellt.

AUF EINEN BLICK

Peter Thirring ist seit 1984 für die Generali-Gruppe tätig. Er ist seit 2007 Mitglied des Vorstandes der Generali Holding Vienna und der Generali Versicherung. 2013 folgte er Luciano Cirina als CEO nach.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2015)

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