Wir sollen uns kleiner machen? Aber gern!

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Österreichs Banken könnten ihr Geschäftsmodell ändern. Aber die Sparer wollen nicht Aktionäre werden.

Die Banken sind in Europa viel zu dominant, sie bremsen das Wachstum, man muss ihre Macht eindämmen – Marco Pagano scheint heftigen Widerstand herauszufordern. Aber seltsam: Konfrontiert man Österreichs Großbanken mit den Thesen des italienischen Forschers, rennt man fast offene Türen ein. „Wir haben kein Problem damit“, erklärt Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria. Denn: „Wir wollen Finanzierungen für Unternehmen organisieren.“ Und das müsse nicht unbedingt bedeuten, immer nur „die Coupons für Investitionskredite zu schneiden“. Die Kompetenz einer Hausbank sei, dass sie die Firma sehr gut kenne. Diese Kompetenz könne sie auch nutzen, indem sie dem Kunden eine Unternehmensanleihe platziere oder ihn bei seinem Börsegang begleite. Womit der Wandel vom kreditbasierten zum Kapitalmarktsystem, den Pagano und viele andere fordern, vollzogen wäre.

Natürlich würden die Bilanzsummen der Geldhäuser dann noch viel weiter schrumpfen. „Aber das käme uns nicht ungelegen.“ Denn was nützen hohe Aktiva, wenn die Margen so gering und die Kreditprüfungen durch die Vorgaben der Regulatoren so aufwändig geworden sind? „Rechnet man das Ausfallsrisiko mit ein, verdienen wir an einem Unternehmenskredit weniger als an einer Anleiheemission“, verrät Valentin Hofstätter, oberster Anleihen- und Währungsexperte bei der Raiffeisen Bank International (RBI). Aber auch für die Volkswirtschaft wäre es „schön, wenn es andere Finanzierungsformen gäbe. Das muss nicht zu Lasten der Banken gehen.“ Franz Rudorfer, der Sprecher der Branche in der Wirtschaftskammer, legt nach: „Wir haben Interesse am Kapitalmarkt. Auch da kann man Geld verdienen, das ist nichts Böses.“

Vielleicht reagieren die heimischen Geldhäuser auch deshalb so entspannt, weil es sich um ein rein theoretisches Thema handelt. Denn bei einem Wechsel im Finanzsystem müssen auch die Anleger mitspielen. Und die Österreicher tragen ihr Geld eben zur Bank und wollen partout nicht auf Wertpapiere umsteigen. „Viele Haushalte“, beklagt Raiffeisen-Analyst Hofstätter, „lassen viel Geld auf der Straße liegen“, oder genauer: zu Minizinsen auf dem Sparbuch. Derweil investieren US-Pensionsfonds, die das Ersparte von Millionen Amerikanern bündeln, in europäische Aktien – und erzielen dabei auf längere Frist weit höhere Erträge. Auch die Politik, ärgert sich Bruckbauer, fördere nicht den Wandel, wenn sie die Wertpapier-Kest erhöht und eine Finanztransaktionssteuer einführt: „Das ist die giftige Melange, die Wachstum verhindert.“

Gegen eine andere These der akademischen Banken-Basher verwehrt sich der Hausökonom der Bank Austria: Kreditbasierte Finanzierung mag zwar „weniger effizient“ sein als der Kapitalmarkt. Aber die prolongierte Krise in der Eurozone lasse sich damit nicht erklären. Denn „bei den Wachstumsraten biegen wir erst 2011 von den USA ab, mit der Staatsschuldenkrise“. Und an ihr sei die „suboptimale Aufstellung“ der Eurozone schuld. Um hier die Banken ins Spiel zu bringen, müsste man die Theorie wohl erweitern. Es ginge dann nicht mehr nur um die Unternehmen, sondern auch um die Regierungen – um die Rolle der Geldhäuser als wichtigste Käufer von Staatsanleihen.

Diese Rolle erklärt, warum die öffentliche Hand jede taumelnde Bank auffängt – anders als in den USA. Das betont Engelbert Dockner, der an der WU Finanzwirtschaft lehrt: „Dort gehen Banken in Konkurs. Es gibt einen laufenden Wettbewerbsmechanismus: Die profitabelsten Banken sind immer an oberster Stelle – das macht einen großen Unterschied!“

Österreich sei jedenfalls anders zu sehen, erklärt Rudorfer von der Wirtschaftskammer nicht ohne Stolz: „Bei uns hat die Versorgung mit Krediten auch in der Finanzkrise friktionsfrei funktioniert.“ Gegen den europäischen Trend ist das Kreditvolumen von 2008 bis 2012 pro Jahr im Schnitt um drei Prozent gewachsen.

Und dann ist da noch die heimische Osteuropa-Story, an die Dockner von der WU erinnert: „Wer aus dem Kommunismus in die Marktwirtschaft kommt, ist nicht gleich bereit, riskant zu investieren.“ Ein Kapitalmarkt kann hier also erst später folgen, zuerst braucht es Kredite – und hier haben die heimischen Banken die nötige Pionierarbeit geleistet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2015)

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