Arbeitsmarkt: Starker Zuzug von Rumänen und Bulgaren

Viele Osteuropäer bekommen in Deutschland Jobs, die unter ihrer Qualifikation liegen – wie hier in einer Wurstfabrik.
Viele Osteuropäer bekommen in Deutschland Jobs, die unter ihrer Qualifikation liegen – wie hier in einer Wurstfabrik.(c) Bloomberg (Martin Leissl)
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Heuer werden mehr Rumänen und Bulgaren nach Deutschland ziehen als im Jahr 2014. In Österreich dürfte die Situation ähnlich sein.

Wien. Das deutsche Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung hat eine Studie über die Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass nicht nur Flüchtlinge aus Krisenregionen auf den deutschen Arbeitsmarkt drängen, sondern auch immer mehr Rumänen und Bulgaren. Für Österreich liegt dazu keine Studie vor, doch es ist davon auszugehen, dass es bei uns eine ähnliche Entwicklung gibt wie in Deutschland. Anfang 2014 öffnete auch Österreich den Arbeitsmarkt für Personen aus Rumänien und Bulgarien. Um die Bevölkerung zu beruhigen, hatte das Sozialministerium beim Institut für Höhere Studien (IHS) im Vorfeld eine Studie in Auftrag gegeben. Darin hieß es, dass 2014 lediglich 5500 zusätzliche Zuwanderer aus beiden Ländern kommen werden. Doch die Experten lagen weit daneben. Tatsächlich sind im Vorjahr doppelt so viele gekommen.

Für 2015 liegen für Österreich noch keine detaillierten Zahlen vor. Daher lohnt sich ein Blick auf die deutsche Studie. Darin heißt es, dass allein im August 12.000 Personen aus Bulgarien und Rumänien nach Deutschland eingewandert sind. Der Studie zufolge werden für heuer 130.000 bis 150.000 Zuwanderer aus beiden Ländern erwartet. Das ist mehr als 2014 – damals wanderten zwischen 125.000 und 130.000 Menschen zu.

Derzeit leben bereits 637.000 Rumänen und Bulgaren in Deutschland. Viele von ihnen fanden relativ rasch einen Job, heißt es in der Studie. So liegt die geschätzte Erwerbsquote bei den Rumänen und Bulgaren bei 79 bis 84 Prozent.

Besorgt sind die Arbeitsmarktforscher über den starken Anstieg der Hartz-IV-Empfänger. Im Vorjahr bezogen 64.000 Rumänen und Bulgaren Hartz-IV-Leistungen. Mittlerweile ist die Zahl auf 105.000 angestiegen. Das bedeutet, dass rund 17 Prozent aller in Deutschland lebenden Bulgaren und Rumänen auf Harz-IV-Leistungen angewiesen sind. Viele davon sind „Aufstocker“, die ihren niedrigen Lohn mit Hartz IV aufbessern.

Der Armut entfliehen

Dass immer mehr Rumänen und Bulgaren ihrer Heimat den Rücken kehren, hat vorwiegend wirtschaftliche Gründe: Beide Länder gehören zu den Armenhäusern in der EU. Zuletzt lag in Rumänien der monatliche Nettolohn bei umgerechnet 417 Euro. Seit dem EU-Beitritt verließen mehr als zehntausend Ärzte das Land.

Im Gesundheitswesen und in der Verwaltung steht Korruption auf der Tagesordnung. Mit Victor Ponta wurde in Rumänien vor Kurzem zum ersten Mal ein amtierender Regierungschef angeklagt.

In Österreich sind die Rumänen nach den Deutschen bereits zur zweitgrößten Einwanderergruppe aus der EU aufgestiegen. Laut Statistik Austria hat sich die Zahl der in Österreich lebenden rumänischen Staatsbürger von 2014 bis 2015 von 59.702 auf 73.373 erhöht. Bei den Bulgaren gab es ein Plus von 3665 auf 19.607 Menschen.

Die neuen Arbeitskräfte sind meist jung und gut ausgebildet, sie finden aber häufig nur Jobs, die unter ihren Qualifikationen liegen. Die Rumänen arbeiten meist in der Sachgüterproduktion, im Tourismus, in der Leiharbeit, im Bau und in der Landwirtschaft als Erntehelfer. Im Vorjahr zählte man in Österreich 42.500 unselbstständig Beschäftigte mit rumänischer oder bulgarischer Staatsangehörigkeit. Hinzu kommen noch tausende Einpendler. Dabei handelt es sich um Personen, die in Rumänien bzw. Bulgarien ihren Hauptwohnsitz haben, aber trotzdem in Österreich erwerbstätig sind. So sind beispielsweise viele Frauen aus Rumänien in Österreich in der 24-Stunden-Pflege für alte Menschen beschäftigt. Sie wechseln einander im Zwei-Wochen-Rhythmus ab und bekommen meist etwa 630 Euro netto im Monat. Ohne die Osteuropäer würde die Altenpflege in Österreich zusammenbrechen.

Überdurchschnittlich hoch ist bei diesen Zuwanderern allerdings die Arbeitslosigkeit. AMS-Angaben zufolge liegt die Arbeitslosenquote bei den in Österreich lebenden Rumänen bei 10,8 Prozent und bei den Bulgaren bei 13,1 Prozent. Noch höher ist allerdings die Quote bei den in Österreich lebenden Türken mit 17,6 Prozent.

Auf einen Blick

Nicht nur Flüchtlinge, sondern auch immer mehr Menschen aus Rumänien und Bulgarien suchen in Deutschland einen Job. Allein heuer werden 130.000 bis 150.000 Rumänen und Bulgaren nach Deutschland ziehen. Viele von ihnen finden relativ rasch einen Job. Gleichzeitig steigt aber die Zahl der Hartz-IV-Empfänger. Nicht wenige Rumänen und Bulgaren bessern mit Hartz IV ihren niedrigen Lohn auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2015)

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