U-Ausschuss: "Für Sie Doktor Schüssel"

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Wolfgang Schüssel beantwortete fast vier Stunden lang die Fragen der Abgeordneten zum Hypo-Desaster - in gewohnter Manier: eloquent, genervt und teilweise arrogant. Gesagt hat er nicht wirklich viel.

Wien. Nein, in der Sache war der gestrige Auftritt von Wolfgang Schüssel nicht sehr ergiebig. Aber es war auf jeden Fall einer der unterhaltsameren Tage im Untersuchungsausschuss des Nationalrats zum Desaster bei der Hypo Group Alpe Adria.

Hier war jemand, der den Abgeordneten nichts schenkte, sich nicht respektvoll zurückhielt, der nicht konziliant antwortete, nicht über wenig präzis gestellte Fragen hinwegsah und sich schon gar nicht von heftigen Angriffen einschüchtern ließ. Schließlich war Wolfgang Schüssel einmal Parteiobmann der ÖVP, da hat er schon ganz andere Anfeindungen erlebt.

Warum man den ehemaligen Bundeskanzler vorgeladen hat, war nicht ganz klar. Die Opposition meinte, er habe über die Situation bei der Hypo Bescheid gewusst. Die ÖVP beurteilte die Ladung als „Show“, die SPÖ sah – offiziell zumindest – keine Notwendigkeit für die Befragung. Aber ganz unglücklich wird sie darüber nicht gewesen sein, weil die Opposition auch ihren ehemaligen Bundeskanzler, Alfred Gusenbauer, geladen hat. Was wieder – zumindest offiziell – die ÖVP nicht ganz versteht.

Wolfgang Schüssel erscheint an diesem Mittwoch vor dem Lokal VI des Parlaments, wie er 2007 das Bundeskanzleramt verlassen hat: schnellen Schrittes, mit einem vielsagenden Lächeln auf den Lippen und nur einem Satz für die wartenden 20, 30 Journalisten: „Ihr werdet alle meine Antworten drinnen hören.“ Der Schweigekanzler eben.

Drinnen bekommt man dann tatsächlich etwas zu hören. Schon der Verfahrensanwalt muss sich sagen lassen, er möge „präzise Fragen“ stellen. Und erst die Abgeordneten: „Das war nicht meine Frage“, meint etwa Rainer Hable (Neos) zu Schüssel. „Das war meine Antwort“, konterte der trocken. Einen anderen bittet Schüssel: „Lassen Sie mich ausreden, dann tue ich mir leichter, weil ich dann Ihre Zwischenrufe nicht höre.“ Robert Lugar (Team Stronach) kontert auf einen ähnlichen Einwurf: „Es steht, glaube ich, nicht in der Verfahrensordnung, dass ich Sie nicht unterbrechen darf.“

Mit diesem Abgeordneten liefert sich Schüssel die heftigsten Auseinandersetzungen. Als Lugar den Ex-Bundeskanzler als „Herr Schüssel“ adressiert, kommt umgehend die Zurechtweisung: „Für Sie Doktor Schüssel.“ Lugars Ansprache ist von da an „Herr Ex-Bundeskanzler Doktor Schüssel“ – jedes Wort speziell betonend.

Überraschend zurückhaltend gab sich bei der Befragung die FPÖ, die sogar frühzeitig auf zusätzliche Redezeit verzichtete.

Die einzige Frage, die ernsthaft zu diskutieren war, dreht sich um einen Spaziergang 2006 mit den damaligen FMA-Vorständen. Einer hatte ausgesagt, Schüssel damals über die Situation bei der Hypo informiert zu haben. Das Bild, das man verwendet haben soll: „Die Hypo ist unterwegs wie ein Sportflugzeug im Nebel.“

Daran konnte sich der einstige Bundeskanzler nicht mehr erinnern. Es sei bei dem Spaziergang um die allgemeine Situation der Banken gegangen. Und dann gab es eine kurze Nachhilfe in Realverfassung: „Der Bundeskanzler ist Primus inter Pares. Die FMA darf ihn gar nicht direkt informieren, das wäre ein Verstoß gegen Vorschriften.“ Wo denn da die Macht gewesen sei, ob er „ein Frühstückskanzler war“, will Lugar provokant wissen. „Selbstverständlich habe ich als Kanzler gefrühstückt“, antwortet Schüssel.

Lange wurde über die richtige Frage samt richtiger Antwort diskutiert, ob Schüssel vom heimischen Geheimdienst über Vorgänge bei der Hypo informiert wurde („persönlich nicht“) und ab wann er vom Interesse der Bayern an der Hypo wusste (ab Ende 2006).

Diffiziles Verhältnis zu Haider

Ehemalige Weggefährten verteidigte Wolfgang Schüssel. Etwa Kroatiens Ex-Premier Ivo Sanader, der wegen Korruption zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde. Ihm habe das Land viel zu verdanken. Er habe mit Sanader Fußball gespielt, wäre er kriminell gewesen, hätte er, Schüssel, das mitbekommen, weil „ich dafür ein Gespür habe“.

Den Konflikt mit dem früheren Kärntner ÖVP-Chef Georg Wurmitzer bedauert er. Er habe Wurmitzer einen persönlichen Brief geschrieben, darauf aber keine Antwort erhalten. Den gescholtenen Ex-FMA-Chef Heinrich Traumüller bezeichnet der 70-Jährige als fachlich hervorragend qualifiziert. Nur mit dem verstorbenen früheren FPÖ-Chef Jörg Haider, der Schüssel zum Kanzler gemacht hatte, verband ihn wenig. „Es war sicher kein harmonisches und schon gar kein freundschaftliches Verhältnis“, urteilt Schüssel.

Nach knapp vier Stunden ist die Befragung zu Ende. Schüssel dankt, blickt einmal in die Runde und rauscht an den Journalisten vorbei, die draußen vor der Tür warten – schweigend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2015)

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