Geld verlieren mit Zinsprodukten

Österreicher sind begeisterte Sparer. Ihr Sicherheitsdenken bezahlen sie Jahr für Jahr mit realen Kapitalverlusten.

Vorgestern haben die Banken mit Empfängen für Großkunden und kleinen Aufmerksamkeiten für kleine Sparer den Weltspartag begangen. Dass sie sich das noch trauen, ist bemerkenswert: Zinsprodukte, egal, ob Sparprodukte oder Anleihen, sind in ihrer überwiegenden Mehrzahl nur noch zur Kapitalvernichtung verwendbar.

Nach Angaben des Vergleichsportals durchblicker.at sind die Sparzinsen seit vergangenem Oktober noch einmal um ein Fünftel gesunken. Ohne Bindung sind noch maximal 0,83 Prozent Effektivzins (nach Kest) drin, auch ein Jahr Bindung bringt selbst in den besten Fällen nicht einmal ein Prozent. Um auf knapp 1,3 Prozent nach Kest zu kommen, muss man sein Geld schon sechs Jahre binden. Und den Anbieter sehr genau aussuchen. Denn Kunden von Großbanken müssen sich ohne Bindung mit Zinsen (vor Kest) von 0,06 bis 0,125 Prozent begnügen. Den Vogel schießt derzeit ein „Comfort-Sparbuch“ heimischer Sparkassen mit 0,02 Prozent Verzinsung ab. Das heißt, für einen Tausender kann man nach einem Jahr 20 Cent Zinsertrag kassieren, wovon noch einmal fünf Cent als Kest an den Finanzminister gehen.

Bei einer für 2016 erwarteten Inflation von 1,7 Prozent bedeutet das, dass alle Sparer ausnahmslos reale Verluste erleiden werden. Um nämlich nach Steuern nur die Inflation zu kompensieren, also bloßen Kapitalerhalt zu betreiben, würde man bei dieser Inflationsrate eine Verzinsung von knapp 2,3 Prozent benötigen.

Eine derartige Rendite ist auch bei den meisten Anleihen – speziell bei den sicheren – völlig illusorisch. Dass unter solchen Umständen noch immer gut 80 Prozent der Privatanleger praktisch ausschließlich Zinsprodukte für die Geldanlage verwenden, lässt sich nur mit extremem Sicherheitsdenken erklären.

Risikoscheu könnte sich freilich bald als bestes Rezept zur Geldvernichtung erweisen. Denn in diesem Zinsumfeld lässt sich Geld nur noch mit riskanteren Anlagen, etwa Aktien, verdienen. Und zwar für voraussichtlich noch sehr lange Zeit. Experten schätzen, dass in der Eurozone noch mindestens fünf Jahre lang extremer Niedrigzins dominieren wird. Daran werden auch mögliche kleinere Korrekturen nichts ändern.

Der Grund dafür liegt in der hohen Verschuldung der Staaten: Steigen die Zinsen, steigt die Belastung durch den Zinsendienst extrem. In Österreich beispielsweise um 2,9 Mrd. Euro pro Prozentpunkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.11.2015)

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