Franz Schellhorn: "Der Sparer fährt einen realen Verlust ein"

Franz Schellhorn
Franz Schellhorn(c) Michaela Bruckberger
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Durch die niedrigen Zinsen sollen die Sparer zum Konsum gezwungen werden, sagt der Ökonom Franz Schellhorn. In Deutschland funktioniere das auch. In Österreich aber nicht.

Was ist die ökonomische Rolle der Sparer?

Franz Schellhorn: Grundsätzlich ist die Rolle klar: Sie geben das Geld für einige Zeit jemandem, der damit mehr anzufangen weiß als Sie – und bekommen dafür Zinsen. Sparer bilden die Basis des Wirtschaftens, sind Kapitalgeber im besten Sinn. Aber diese Rolle ist schon seit geraumer Zeit eine Scheinrolle. Nur ein verschwindend geringer Teil der Kredite ist durch Einlagen gedeckt.

Woran liegt das?

Das Geld kommt heute aus der Notenpresse der EZB. Die Banken brauchen derzeit theoretisch gar keine Spareinlagen, denn das Geld aus den Zentralbanken kann die Spareinlagen als Basis für neue Kredite ersetzen.

Was sollen die kleinen Sparer machen?

Erwartet wird vom Sparer, dass er das Geld ausgibt. Das ist das Ziel der Politik. Man signalisiert dem Sparer sehr deutlich: „Sei nicht so blöd, das Geld auf dem Konto liegen zu lassen, wo es langsam abschmilzt.“ Der Sparer fährt nach Abzug der Inflation einen Realverlust ein. Aber nominell macht er einen kleinen Gewinn – für den er auch noch Kapitalertragssteuer zahlen muss. Das ist dann eine echte Deppensteuer.

Was ist das Ziel dieser Politik?

Der Staat sagt dem Bürger: „Ich bin für dich da, du kannst dein Geld auf den Kopf hauen.“ Und wenn du daran glaubst, dass alles gut geht und du eine Pension bekommst, dann ist das kein Problem. Wenn aber jemand sparen will, weil er glaubt, dass er sich auf den Staat und seine Versprechen nicht verlassen kann, muss er die Rendite heute woanders suchen als auf dem Sparbuch: bei Aktien oder Immobilien.

Kann diese Form der Konjunkturankurbelung funktionieren?

In Österreich nicht, weil das Vertrauen fehlt. Man lässt das Geld immer noch auf dem Konto oder dem Sparbuch. Das ist in Wahrheit ein Angstsparen. In Deutschland wird mehr Geld ausgegeben – da dürfte das Vertrauen der Bürger in den Staat höher sein. Leider lebt der Staat dem Bürger auch vor, dass Schulden gut sind und Sparen schlecht ist.

Was sollte stattdessen geschehen?

Wenn wir nicht schleunigst aus der Nullzinsphase rauskommen, gehen wir die größte Spekulation auf die Zukunft ein, die es jemals gegeben hat. Dann drohen japanische Verhältnisse, mit extremen Staatsschulden – und keinem Weg zurück. Leider passiert genau das. Die niedrigen Zinsen sollten den Staaten Zeit geben. Aber von Reformen ist weit und breit nichts zu sehen.

Steckbrief

Franz Schellhorn (46)
ist seit Anfang 2013 Direktor des liberalen Thinktanks Agenda Austria. Der Ökonom hat an der WU Wien studiert. Von 2004 bis 2013 war Schellhorn Leiter des Wirtschaftsressorts der „Presse“. Schellhorn ist verheiratet und hat zwei Kinder. M. Bruckberger

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2015)

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