Rapid: Die neue Spielwiese für das große Geschäft

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Der Fußballfan sorgt für die Geräuschkulisse. Die Hälfte der Einnahmen kommt von den VIPs. Die Akteure in den Logen sind spielentscheidend, auch im neuen Stadion von Rapid.

Die große Fußballerkarriere ist Paul Pawlek verwehrt geblieben. Trotzdem hat er sich mit seinem Siegestor am 10. Mai 1977 in die grün-weißen Annalen des SC Rapid eingetragen. Ausgerechnet gegen den Lokalrivalen Austria verwertete er in der 84. Minute einen Stanglpass von Hans Krankl zum 1:0. Er schoss damit das erste Tor im Wiener Weststadion, der damals neuen Heimstätte des erfolgreichsten, populärsten und größten österreichischen Fußballklubs. Die Prominenz aus Sport, Politik, Wirtschaft und Kultur war damals von der Architektur des von Gerhard Hanappi errichteten Stadions mehr als angetan. Auf der Ehrentribüne herrschte helle Begeisterung. Volksschauspieler Heinz Conrads, ein eingefleischter Rapidler, meinte euphorisch: „In diesem schönen Stadion kann man nur schönen Fußball spielen.“

„Das Geschäftsmodell geht über das Stadion hinaus“, sagt Christoph Peschek. Der Rapid-Geschäftsführer spricht bereits vom neuen Stadion, dem Allianz-Stadion. Anfang November kamen knapp 300 prominente Gäste nach Hütteldorf zur Gleichenfeier des neuen Allianz-Stadions. Schon allein der Rohbau ist imposant. Seit zehn Monaten wird gebaut, im Sommer 2016 soll das erste Spiel bestritten werden. Vom „schönen Fußball“ spricht in der Rapid-Geschäftsstelle kaum einer.

Wenn die Manager aus dem Fenster schauen und die riesige Baustelle beobachten, dann kommen ihnen Worte wie Businessklub oder Kongress über die Lippen. Fast bekommt man den Eindruck, bei dem neuen, 53 Millionen Euro teuren Projekt handelt es sich um einen Wirtschaftspark mit angeschlossenem Fußballplatz.

Tatsächlich ist in dem fast 25.000 Zuschauer fassenden Stadion jeder zehnte Sitz für einen VIP-Gast vorgesehen. Von „2500 Business Seats“ ist in den Rapid-Prospekten die Rede. Und auf der Westtribüne, dort, wo bisher die eingefleischten Rapid-Fans – die Ultras – für Stimmung und manchmal für noch mehr gesorgt haben, dort soll künftig „der größte Businessklub Österreichs“ entstehen, sagt Peschek. Der VIP-Bereich soll nämlich nicht nur als mondäne Rückzugsmöglichkeit für betuchte Fußballfreunde während eines Spieles dienen. Hier soll vielmehr das ganze Jahr über Business gemacht werden.

Wenn Christoph Peschek über Networking und Marketingkonzepte spricht, könnte man meinen, er ist erst kürzlich einem Trainee-Programm der Industriellenvereinigung entsprungen. Kaum etwas deutet darauf hin, dass seine Karriere in der Gewerkschaft der Privatangestellten begonnen hat. Er war SPÖ-Bezirksrat in der Donaustadt. Als 27-Jähriger zog er in den Wiener Gemeinderat ein. Im besten Fußballeralter also.

Tatsächlich hat Rot-Grün in Wien seit Fußballergenerationen Tradition. Und damit ist natürlich nicht die politisch Zwangsehe im Wiener Rathaus gemeint, sondern die wilde Ehe zwischen den Wiener Sozialdemokraten und den Ballesterern von Rapid. Jahrzehntelang sorgten ehemalige SPÖ-Spitzenpolitiker dafür, dass der einst finanziell angeschlagene Rekordmeister nicht ins Trudeln kam. Expolitiker wie der frühere Finanzminister und mächtige Wiener Finanzstadtrat, Rudolf Edlinger, der später zum Rapid-Präsidenten avancierte. Sie spielten die Rote Karte abseits des Spielfelds aus und sorgten für potente Sponsoren. Ob heute Wien Energie oder früher die Bank Austria. Die Sponsoren auf den Rapid-Trikots hatten stets einen Bezug zum roten Wien. Aktuell steuert Wien Energie knapp die Hälfte des sieben Millionen Euro großen Trikot-Sponsor-Kuchens bei.

Heute stehe Rapid finanziell auf soliden Beinen, betont Peschek. Im abgelaufenen Geschäftsjahr wies der Klub zwar noch ein negatives Eigenkapital aus, aber auch dieses leidige Kapitel sei nun beendet. „Mit Stand heute haben wir ein positives Eigenkapital“, sagte Peschek dieser Tage im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“.


Neue Zielgruppen. Mit dem neuen Stadion will Rapid neue Zielgruppen ansprechen. Und diese neuen Kunden müssen mit Fußball gar nichts am Hut haben. Im riesigen VIP-Bereich sollen nämlich Veranstaltungen auch außerhalb des Spielbetriebs stattfinden. „Von der Geburtstagsfeier bis zum Ärztekongress“, sagt Peschek. Und am besten an 365 Tagen im Jahr.

Herzstück des exklusiven VIP-Bereichs sind die 41 Logen. Jede einzelne bietet zwölf Personen Platz, jede einzelne wird ganz individuell nach den Bedürfnissen des Mieters ausgestattet. 80 Prozent der Logen sollen dauerhaft vermietet werden. „Mit dauerhaft sind nicht nur die Spieltage gemeint“, erklärt Raphael Landthaler. Er ist bei Rapid für die Finanzen und die Organisationsentwicklung zuständig. Die Logen werden in den Rapid-Prospekten nämlich auch als Geschäftsaußenstellen bezeichnet. Die Mieter haben wie in einem ganz normalen Bürogebäude während der Geschäftszeiten täglich Zutritt zu ihrem erweiterten Firmensitz. „Sie können dort also Meetings abhalten oder sich mit Geschäftspartnern treffen“, sagt Landthaler. Das könne sehr praktisch sein, wenn etwa ein Kunde oder Klient aus Westösterreich anreist und nicht durch die ganze Stadt tingeln muss. Natürlich sorge die Rekordmeister-Bar für Erfrischungen, wann immer diese nötig sind.

Tatsächlich verbirgt sich hinter diesem Konzept mehr als nur ein erweitertes Geschäftsmodell. Vielmehr handelt es sich auch um ein raffiniertes Steuerkonzept. Denn die Kosten einer Filiale, die sich in einem Bürogebäude befindet, das so ganz nebenbei einen Blick auf einen Fußballplatz bietet, sei unter Umständen als Betriebsausgabe zu bewerten. Und dass diese Umstände tatsächlich gegeben sind, auch darauf wird beim Verkauf der Logen im Rapid-Stadion geachtet. Noch sind nicht alle Logen verkauft. Allerdings: „Wir stoßen auf gutes Feedback“, sagt Landthaler und drückt sich somit betont zurückhaltend aus.


Corporate Hospitality. Das große Zauberwort im großen Sportbusiness heißt Corporate Hospitality. Unternehmen laden also Geschäftsfreunde oder verdiente Mitarbeiter zu unterhaltsamen Veranstaltungen ein. Zu Fußballspielen etwa. Denn ein VIP-Ticket unterscheidet sich von der normalen Eintrittskarte dadurch, dass es vom Benutzer nicht bezahlt wird. Er bekommt es geschenkt. Von einem Unternehmen etwa, das in einem Fußballstadion über eine Loge verfügt.

In den Topfußballligen Europas machen die VIP-Gäste bereits die Hälfte der Tageseinnahmen bei einem normalen Ligaspiel aus. Zehn Prozent der Zuschauer steuern 50 Prozent des Umsatzes bei. Eine Entwicklung, die längst nicht abgeschlossen ist. Schon beim Fußball-WM-Finale 2006 in Berlin saß jeder vierte Zuschauer auf Einladung eines Sponsors auf der Tribüne. Beim WM-Finale nächstes Jahr in Paris wird es fast jeder zweite sein.

Mit dem Allianz-Stadion wird Rapid zumindest auf dem Gebiet der Corporate Hospitality internationale Standards erreichen. Und wer diese wirtschaftlichen Hausaufgaben nicht macht, hat sportlich auf der Spielwiese des Fußballs nichts mehr zu suchen. Früher einmal kam mit dem sportlichen Erfolg das Geld. Heute kommt mit dem Geld der sportliche Aufstieg.

Eine Entwicklung, die in den Statuten der österreichischen Bundesliga scheinbar noch nicht angekommen ist. In Paragraf 5 Absatz 13 der allgemeinen Stadionbestimmungen heißt es: „Der VIP-Sektor muss in der höchsten Spielklasse mindestens 100 gedeckte Sitzplätze, in der zweithöchsten Spielklasse mindestens 30 gedeckte Sitzplätze mit gutem Blick auf das Spielfeld umfassen.“

Rapids VIP-Sektor wird also über 2500 „gedeckte Sitzplätze“ verfügen. Und der gute Blick auf das Spielfeld wird nur durch einen Umstand getrübt: die immer strengeren Compliance-Regeln. Es ist nicht mehr so einfach, jemanden mit VIP-Karten zu beschenken. Das gilt nicht nur für Amtsträger, die von Gesetzes wegen keine Geschenke mehr annehmen dürfen. Auch Unternehmen legen sich selbst und freiwillig sehr rigorose Compliance-Richtlinien auf. Es geht um wirtschaftliches Fair Play. Und wie im Fußball ist die Vorteilsregel auch auf der VIP-Tribüne mitunter eine Sache der Auslegung.

Es ist nämlich, so sagen Juristen, ein großer Unterschied, ob ein Unternehmen jemanden zu einem Fußballspiel einlädt oder ob es jemanden in seiner Firma, in einer Büroaußenstelle bewirtet, die halt auch über einen guten Blick auf einen Fußballplatz bietet, auf dem gerade zufällig ein Champions-League-Spiel stattfindet.

In der Rapid-Zentrale überlässt man derartige Spekulationen lieber den Juristen. Fest steht: Rapid soll künftig nicht nur für sportliche, sondern auch für wirtschaftliche Erfolge stehen. Das Jahresbudget soll auf 30 Millionen Euro erweitert werden. Und in Zukunft wolle man nie wieder einen guten Fußballspieler „aus wirtschaftlicher Notwendigkeit“ verkaufen müssen, sagt Christoph Peschek.

Für den Rapid-Geschäftsführer ist mit der Eröffnung des Allianz-Stadions zwar ein großer wirtschaftlicher Schritt vollzogen. Aber bei Weitem nicht der letzte. 2017 läuft nämlich der TV-Vertrag mit dem ORF aus. Und der neue Vertrag, poltert Peschek, müsse die Leistungsträger der Liga besserstellen. Es könne nicht sein, dass „Wiener Neustadt genauso viel Geld aus den TV-Einnahmen kassiert wie Rapid“, sagt der frühere SPÖ-Funktionär in der Manier eines wirtschaftsliberalen Konzernchefs.

Zumindest für die Fans ist und bleibt Rapid eine „Religion“. „Und wer dran glaubt, wird selig“, sagte schon Rapid-Ikone Josef Hickersberger.

Fakten

53 Millionen Euro wird das neue Allianz-Stadion kosten, das derzeit für Rapid gebaut wird. Im Sommer 2016 soll es eröffnet werden.

25.000 Zuschauer finden dort Platz, jeder zehnte Sitz ist für einen VIP-Gast reserviert.

41 Logen sind das Herzstück des VIP-Bereichs.

80 Prozent der Logen sollen dauerhaft an Geschäftskunden vermietet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2015)

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