Arbeitsmarkt: Bosnier fassen besser Fuß als Serben

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THEMENBILD-PAKET: ARBEIT/BAU(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Überraschende neue Daten: Serben sind auf dem Arbeitsmarkt fast so schlecht integriert wie Türken, Bosnier – oft muslimische Flüchtlinge – ähnlich gut wie Österreicher.

Wien. Bei Statistiken lohnt es sich oft, genauer hinzusehen. Wenn es um die großen Gruppen an Zuwanderern nach Österreich geht, ist der Befund meist schnell bei der Hand: Die Mitglieder der größten Gruppe, die Deutschen, haben die geringsten Probleme, in Österreich einen Job zu bekommen. Daran ist auch nicht zu rütteln. Weiter aber heißt es: Bei der zweitgrößten Gruppe, den Ex-Jugoslawen, habe die Integration auf dem Arbeitsmarkt viel besser funktioniert als bei der drittgrößten, den Türken. Auch das stimmt – aber nur in Summe betrachtet.

Die Statistik Austria hat nun im Rahmen der Mikrozensus-Befragungen für 2014 ein deutlich differenziertes Bild geliefert. Statistik-Chef Konrad Pesendorfer betonte bei der Präsentation am Montag, wie unterschiedlich die Zahlen für die Herkunftsländer Serbien und Bosnien und Herzegowina ausfallen (Slowenien und Kroatien sind den EU-Staaten zugerechnet): Bei der Erwerbsquote wie auch bei der Arbeitslosenrate weisen die Serben ähnlich schlechte Werte auf wie die Türken. Die Zahlen für die Zuwanderer aus Bosnien und Herzegowina hingegen unterscheiden sich nur wenig von jenen der in Österreich Geborenen (siehe Grafik).

Gründe für die Diskrepanz kann die Statistik freilich nicht mitliefern, dazu wurde nicht befragt. Pesendorfer weist aber auf strukturelle Unterschiede hin: Das Gros der Serben wie der Türken kam in den 1970er-Jahren nach Österreich. Damals wurden gezielt billige, niedrig qualifizierte ausländische Arbeitskräfte für die Bauindustrie angelockt. In dieser Branche ist die Beherrschung der Sprache des Gastlandes nicht entscheidend, was die Integration verzögert und erschwert – in der Folge auch bei der nachgezogenen Familie. Die Bosnier hingegen kamen großteils als Flüchtlinge des Bürgerkriegs Anfang der Neunzigerjahre ins Land. Geflohen sind damals vor allem Muslime. Das lässt einen Hoffnungsschimmer für die Bewältigung der aktuellen Flüchtlingswelle aus Syrien, dem Irak und Afghanistan zu, die in der Erhebung noch nicht erfasst ist. Freilich erinnert Pesendorfer daran, wie viele Bosnier „in Österreich geblieben sind, obwohl der Asylgrund weggefallen ist“. Damit ist also wieder zu rechnen.

Kein „Asyl auf Zeit“

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Auffallend ist auch, wie sich die Motive für den Zuzug geändert haben: Waren „familiäre Gründe“ Anfang der 1990er-Jahre noch mit gut 23 Prozent untergeordnet, ist der Familiennachzug ab 1995 mit konstant über 40 Prozent Anteil dominierend. Dieser Zuzug, betont Pesendorfer, „ist nicht steuerbar“, weil es in den EU-Prinzipien ein Recht auf Familienzusammenführung gibt. Umgehen ließe es sich bei Flüchtlingen durch „Asyl auf Zeit“, wovon Pesendorfer aber wenig hält. Seine Überlegung: Entweder man bemüht sich, Flüchtlingen rasch Deutsch beizubringen und einen Job zu vermitteln. Je besser das gelingt, desto „schwerer wird es, ihnen die Berechtigung nach drei Jahren zu nehmen, weil der Asylgrund weggefallen ist“. Deshalb werde sich die politische Forderung nach Asyl auf Zeit bald „leerlaufen“, und die Politik täte besser daran, „reinen Wein einzuschenken“.Die Alternative könnte nur sein, dass die Politik die Integration „bewusst nicht anstrebt“. Damit schaffe man aber „soziale Probleme, die wesentlich schwerer wiegen, als dass sich unsere Bevölkerung in der Struktur verändert“.

Ambivalent ist die Situation der Zuwanderer aus den jüngsten EU-Beitrittsländern: Ihre Beschäftigungsquote ist fast auf dem Niveau der Einheimischen, die Arbeitslosenrate aber doppelt so hoch.

Einmal mehr zeigt die Studie, wie entscheidend eine gute Kenntnis der Sprache des Gastlandes ist. Die Referenzgruppe bilden hier immer die Zuwanderer aus Deutschland. Ob hoch oder niedrig qualifiziert: Sie finden in aller Regel Arbeit. Jene 13,5 Prozent der Migranten aber, die wenig oder gar nicht Deutsch sprechen, „können fast unmöglich Fuß fassen, auch wenn sie den höchsten Bildungsabschluss haben“. 35 Prozent von ihnen haben einen Job, für den sie sich überqualifiziert fühlen. Bei den Erwerbstätigen mit Muttersprache Deutsch sind es nur neun Prozent. Die Sprache ist somit bei der wirtschaftlichen Integration der Schlüssel, der alles öffnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2015)

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