Konjunktur: Ein Aufschwung mit vielen Fußnoten

General Views Of UniCredit Bank Austria AG, Erste Group Bank SA And Volksbank International AG
General Views Of UniCredit Bank Austria AG, Erste Group Bank SA And Volksbank International AG(c) Bloomberg (Akos Stiller)
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Steuerreform und steigende Staatsausgaben für Flüchtlinge sollen laut OeNB die Konjunktur 2016 anschieben. Der Haken: Dieser Einmaleffekt will „gegenfinanziert“ werden. Gleichzeitig steigt die Arbeitslosigkeit.

Wien. 2016 wird ein besseres Jahr für die heimische Wirtschaft – zumindest prognostiziert das die traditionell ziemlich optimistische Nationalbank (OeNB). Um 1,9 Prozent soll das Bruttoinlandsprodukt im kommenden Jahr wachsen – nach nur 0,7 Prozent heuer. Die Prognose ist allerdings an viele Bedingungen geknüpft – und kommt auch nicht ohne Fußnoten aus. Vor allem der Faktor „Flüchtlingskrise“ spielt eine ambivalente Rolle.

Denn obwohl die starke Zuwanderung sowohl das Budget als auch den Arbeitsmarkt belastet – sie führt kommendes Jahr erst einmal zu einem positiven Einmaleffekt durch die gestiegenen Staatsausgaben. Die Gesamtkosten der Flüchtlingskrise beziffert die Nationalbank bis 2017 mit 2,7 Mrd.

Steigende Arbeitslosenquote

Aber ähnlich anderen Sozialausgaben verschwindet dieses Geld nicht zur Gänze, sondern kehrt als Konsum in die Wirtschaft zurück. „Das ist wie ein Konjunkturprogramm mit hoher Konsumquote“, sagt OeNB-Chefvolkswirtin Doris Ritzberger-Grünwald.

Heißt: Wie bei einem Konjunkturprogramm fließt Staatsgeld in die Wirtschaft. 2016 soll das ein zusätzliches BIP-Wachstum von 0,3 Prozentpunkten bringen. Der Haken: Solches Staatsgeld muss aber entweder über Schulden oder zukünftige Steuern „gegenfinanziert“ werden. Dasselbe gilt für die Wohnbauförderung.

Die Steuerreform, von der sich die Ökonomen ein zusätzliches Wachstum von 0,4 Prozentpunkten erwarten, ist nachhaltiger. Sie soll vor allem den privaten Konsum und die Sparquote wieder ankurbeln. „Bei der Steuerreform werden 5,2 Milliarden Euro in Bewegung gesetzt“, sagt Ritzberger-Grünwald. Der positive Effekt werde sich allerdings größtenteils auf das Jahr 2016 beschränken. Aber immerhin: Die Österreicher werden die Steuerreform positiv bemerken, so die OeNB. Die real verfügbaren Haushaltseinkommen sollen 2016 um 2,8 Prozent steigen – nachdem sie heuer um 0,4 Prozent gefallen sind. Das ist allerdings keineswegs allein auf die Steuerreform zurückzuführen – sondern erneut auch auf die Ausgaben für Asylwerber.

(C) DiePresse

Denn die Staatsgelder für Migranten und Flüchtlinge werden dem „verfügbaren Haushaltseinkommen“ hinzugerechnet – und weil im ersten Jahr nur sehr wenige Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt unterkommen, muss der Staat umso mehr Geld ausgeben, das dann allerdings rasch in den Konsum wandert. Bis 2017 rechnet die Nationalbank mit rund 100.000 anerkannten Asylanten – und weiteren 60.000 Menschen, die per Familiennachzug folgen. Von diesen rund 160.000 Menschen sind etwa 77 Prozent im erwerbsfähigen Alter – aber 2017 werden erst rund zehn Prozent davon auf dem Arbeitsmarkt untergekommen sein.Das hat zwei Folgen: Erstens wird die Arbeitslosenquote steigen – trotz wachsender Nachfrage –, ganz einfach, weil die Zuwanderung zu einer Ausweitung des Angebots auf dem Arbeitsmarkt führt. Und zweitens wird die heimische Wirtschaftskraft bei genauerer Betrachtung eher gebremst. Jedenfalls, wenn man das Wachstum des BIPs pro Kopf betrachtet – denn die Zuwanderung führt ja zu steigenden Bevölkerungszahlen. „Nach den Simulationsrechnungen wird das BIP bis 2017 um 0,7 Prozent höher und das BIP pro Kopf um 0,5 Prozent geringer sein als in einer Prognose ohne Zustrom von Asylwerbern“, so die Nationalbank.

Gleichzeitig steigt die Arbeitslosenquote um einen Prozentpunkt – während die der „ansässigen Bevölkerung“ um 0,3 Prozentpunkte sinken soll. Die Arbeitslosenquote nach internationaler Definition soll von heuer 5,8 Prozent auf 6,1 im kommenden Jahr bzw. 6,3 Prozent im Jahr 2017 steigen.

Das Nachspiel

Abseits von Flüchtlingskrise und Steuerreform sieht die Nationalbank einen „moderaten Aufschwung“. Die Exporte sollen trotz einer global eher schwachen Nachfrage langsam steigen: von 2,3 Prozent Exportzuwachs auf 4,5 Prozent 2017. Auch die Teuerung soll wieder zulegen. Von 0,8 Prozent im Jahr 2015 auf 1,3 Prozent bzw. 1,7 Prozent in den Jahren 2016 und 2017. Von einer Deflationsgefahr sei in Österreich ohnehin nie die Rede gewesen, so die OeNB.

Hier wird sich das Nachspiel der „positiven Einmaleffekte“ durch Staatsausgaben auch zuerst bemerkbar machen, denn Österreich kann sich bei der Inflationsrate auf seine Regierung „verlassen“. Allein die „Gegenfinanzierung“ der Steuerreform durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wird die Teuerung um 0,2 Prozentpunkte steigen lassen. Im Jahr 2016 werden steigende Steuern und Gebühren allein die Teuerungsrate um einen halben Prozentpunkt treiben. Die OeNB geht trotzdem davon aus, dass die Steuerreform den privaten Konsum stark anheizen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2015)

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