Prognose: Warum die Erholung kommt

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Wifo und IHS sagen ein kräftigeres Wachstum voraus. Die Gründe: Europa erholt sich, die Inflation ist nicht mehr höher als ringsum, Steuerreform und Flüchtlinge sorgen für Sondereffekte. Aber die Arbeitslosigkeit steigt.

Wien. Ein Blick zurück in Demut ist die höchste Tugend des Konjunkturforschers. „Wir haben ja in den vergangenen Jahren schon öfter gehofft, dass es besser wird“, sagt Wifo-Chef Karl Aiginger und gesteht damit frühere Fehlprognosen ein. „Aber diesmal sind wir sicher, dass die Erholung eintritt.“ Das heißt konkret: mehr als eine Verdoppelung des Wachstums, von 0,8 Prozent heuer auf 1,7 Prozent 2016. Das IHS schließt sich dem vorweihnachtlichen Optimismus mit plus 1,6 Prozent an. Freilich: Mehr als „halbwegs akzeptabel“ ist das auch für Helmut Hofer vom IHS nicht. Reformen bleiben aus und die Probleme auf dem Arbeitsmarkt nehmen zu. Aber immerhin steht die Expansion wieder im Einklang mit dem Euroraum, nach zwei Jahren auf Europas Kriechspur.

Woher die neue Zuversicht? Das Umfeld ist stabiler: Der Ölpreis ist eingebrochen und dürfte niedrig bleiben. Der Euro ist zum Dollar exportfreundlich schwach, sein Kurs sollte nach der US-Zinswende tendenziell weiter sinken. Der Euroraum erholt sich. Osteuropa hat wieder seinen Wachstumsvorsprung.

Erleichtert verweisen beide Institute auf die Entwicklung der Inflation. Warum eigentlich? Ob sie bei eineinhalb oder einem halben Prozent liegt, ist fürs kurzfristige Wachstum eher egal. Aber als schweres Hemmnis hat sich erwiesen, dass die Teuerung hierzulande lang viel höher ausfiel als bei den Euronachbarn – durch stark steigende Gebühren und Verbrauchssteuern, aber auch durch zu trägen Preiswettbewerb in manchen Dienstleistungssektoren. Nimmt man die schwache Produktivitätsentwicklung dazu, erkennt man das Dilemma der Tarifpartner: Erhöhen sie die Reallöhne dennoch, werden heimische Güter immer weniger wettbewerbsfähig. Sinken die Reallöhne aber – wie im Schnitt der vergangenen fünf Jahre – bleiben Kaufkraft und Konsum zurück. Nun schließt sich das „Differenzial“ zum Euroraum. Das bedeutet: ein Problem weniger.

(c) Die Presse

Die Unternehmer klagen zwar weiter, aber sie investieren wieder: Seit Jahresmitte haben die Ausrüstungsinvestitionen stark zugenommen. Es geht zwar vor allem um den Austausch alter Maschinen, nicht um neue Kapazitäten. Aber auch diese Ersatzinvestitionen haben sie wegen der trüben Aussichten so lang zurückgehalten, dass sie sich kaum länger aufschieben lassen.

Schwacher Effekt der Steuerentlastung

Dazu kommen zwei Sonderfaktoren: die Steuerreform und die Flüchtlinge. Wobei die Entlastung der Steuerzahler nicht stark treibt: mit 0,2 Prozentpunkten Wachstumsbeitrag rechnet das IHS, mit 0,1 das Wifo. Denn die Österreicher werden sich, wie nach der letzten Steuerreform, mehr zur Seite legen. Und beim zusätzlichen Konsum fließt viel Geld in importierte Produkte, also ins Ausland, ab.

Beides gilt viel weniger bei den Asylwerbern. Was sie vom Staat an Grundversorgung und Mindestsicherung bekommen, geht fast nur in den Konsum: in Wohnen, Handy, Grundnahrungsmittel – alles Güter mit hoher heimischer Wertschöpfung. Deshalb setzt das Wifo den Wachstumseffekt mit drei Prozentpunkten hoch an; das IHS ist mit 0,1 bis 0,2 vorsichtiger. Beide Institute betonen: Der Effekt ist vorübergehend und durch Schulden finanziert, also nicht nachhaltig. Es sei denn, man erkennt die Kosten als Investition in das Arbeitskräftepotenzial einer stark alternden Gesellschaft. Aktuell sind die Fallen der Demografie nicht sichtbar, weil das Angebot stark steigt: Flüchtlinge, Osteuropäer, verhinderte Frühpensionisten und mehr Frauen strömen auf den Arbeitsmarkt. Um sie alle aufzunehmen, bleibt das Wachstum zu schwach. Die Folge: Die Arbeitslosigkeit steigt gemäß den Prognosen bis 2017 auf rund zehn Prozent. Aber bei allen genannten Gruppen endet der Zustrom früher oder später, und mittelfristig werden Arbeitskräfte dringend gebraucht. Freilich nur passend Qualifizierte. Und hier sehen Aiginger wie Hofer schon länger ein „Mismatch“ zwischen den Fähigkeiten und dem, was die Wirtschaft braucht – ob bei der IT-Kompetenz oder im Pflegebereich. Für Hofer ist das auch ein Hauptgrund, warum sich die Produktivität zuletzt „trotz des moderaten Lohnwachstums sehr schwach entwickelt hat“. Die Flüchtlingswelle spitzt das Problem mit den zu niedrigen Qualifikationen zu: „Da könnte man schon pessimistisch werden.“ Aber angesichts der Alterung „brauchen wir auch die Flüchtlinge“, vorausgesetzt, dass wir sie richtig in den Arbeitsmarkt integrieren: „Sonst haben wir nur die Kosten und nicht die positiven Effekte.“

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