Der Ex-Finanzminister hält die Notverstaatlichung immer noch für richtig. Die Opposition kritisiert ungünstige Vertragsbestimmungen.
Wien. Wenn es so etwas wie einen Höhepunkt des Untersuchungsausschusses gibt, dann ist es dieser Tag. Hat die Notverstaatlichung der Hypo im Dezember 2009 letztlich einen Milliardenschaden verursacht? Zu diesem Ergebnis könnte man zumindest nach der Lektüre der Berichte von Rechnungshof und Griss-Kommission kommen. Wenn es aber so war, dann wäre ein Mann hauptverantwortlich: der damalige Finanzminister Josef Pröll.
Der kam aber keineswegs im Büßerhemd in den U-Ausschuss. Selbstbewusst und eloquent verteidigt er die damalige Vorgangsweise. „Ich bin heute noch davon überzeugt, dass es die absolut richtige Entscheidung war.“
Die Argumentation Prölls ist bekannt: Die Weltwirtschaft war damals in einem totalen Chaos, europäischer Konsens sei es gewesen, keine systemrelevante Bank in Konkurs gehen zu lassen, um nicht eine „Kaskade“ wie nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman auszulösen. Und da die Bayern als Eigentümer „den Schlüssel abgeben“ wollten, sei es Aufgabe Österreichs gewesen, die Bank zu retten.
Keine Alternativen
„Mir hat noch niemand sagen können, welche Alternativen wir gehabt hätten“, so Pröll, der damit direkt Bezug nimmt auf den Griss-Bericht, wonach die Verstaatlichung keinesfalls alternativlos gewesen sei. Die Insolvenz ist es für ihn auf gar keinen Fall. Denn die hätte nicht nur Auswirkungen auf andere Banken und auf das Land Kärnten gehabt, das damals noch für 20 Milliarden Euro haftete (derzeit sind es immer noch elf Milliarden), sondern auch auf die Refinanzierungskosten des Staates: Ein schlechteres Rating hätte Milliarden gekostet und Österreich in eine Position wie Griechenland gebracht. Eine Insolvenz will auch im U-Ausschuss niemand als Alternative sehen.
»Erwartet irgendjemand, dass ein österreichischer Finanzminister bereit ist, ein Zündholz ins Pulverfass zu schmeißen?«
Josef Pröll zur Möglichkeit einer Insolvenz der Hypo
Wohl aber stoßen die konkreten Bedingungen für die Übernahme der Bank auf Kritik. Pröll verweist auf die Rahmenbedingungen bei den Verhandlungen und auf die schlechtere Ausgangsposition Österreichs. Die Bayern hätten eben bei einem Scheitern der Verhandlungen und bei einer dadurch ausgelösten Insolvenz viel weniger zu verlieren gehabt.
»Sie haben einen Molotowcocktail ins Pulverfass geworfen.«
Konter des FPÖ-Abgeordneten Erwin Angerer.
Neos und Grüne kritisieren vor allem den Verzicht auf die Gewährleistung und auf Garantien in Bezug auf künftige Risken. Entsprechende Vertragsklauseln seien in der ursprünglichen Fassung enthalten gewesen, dann aber im letztgültigen Vertrag wieder herausgefallen.
Cash statt Garantien
Man könne in einer Verhandlung eben nicht hundert Prozent durchsetzen, kontert Pröll. Und er verweist auf das, was erreicht wurde: Hatten die Bayern am Anfang für ihre Anteile noch eine Milliarde Euro haben wollen, so mussten sie am Ende noch 825 Millionen Euro drauflegen. Insgesamt haben die Alteigentümer – neben der BayernLB auch noch das Land Kärnten und die Grazer Wechselseitige – eine Milliarde Euro zur Rekapitalisierung beigetragen. Und damals sei man, auch aufgrund von Berichten der Nationalbank, von einem Kapitalbedarf von zwei Milliarden ausgegangen. Dieser Beitrag der Alteigentümer habe in den Verhandlungen Priorität gehabt.
Neos-Mandatar Rainer Hable stellt das nicht zufrieden: „Nur beim Kauf eines 16 Jahre alten Mofas ist ein Verzicht auf Gewährleistung denkbar, nicht bei einer Problembank“, meint er. Pröll verweist auf den Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn: Der argumentiert, dass man zwar auf die Gewährleistung verzichtet habe, nicht aber auf andere Anfechtungsgründe wie Irrtum, Täuschung und Arglist. „Darauf kann man gar nicht verzichten“, kontert Hable.
Auch den Vorwurf der mangelhaften Vorbereitung auf die Verhandlungen will Pröll so nicht stehen lassen. Der Verkäufer sei in einer solchen Situation immer im Vorteil, weil er den Prozess vorgeben kann. Dass Österreich ohne externe Berater in die Verhandlungen mit den Bayern ging, verteidigt Pröll. Er habe immer volles Vertrauen in seine Spitzenbeamten von Ministerium, Finanzprokuratur, Nationalbank und Finanzmarktaufsicht gehabt. „Auf wen sonst soll sich ein Minister verlassen?“
Unterstützung bekommt er da von SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer, der an diesem Tag großkoalitionär unterwegs ist. Aufgrund der Unterlagen könne man sogar feststellen, dass Österreich besser auf die Verhandlungen vorbereitet war als die Bayern, behauptet er.
Die Opposition schließt sich dem zwar nicht an, wirklich in Bedrängnis bringen kann sie den früheren Finanzminister und ÖVP-Chef an diesem Tag aber nicht. Die FPÖ versucht es etwas abseits des Untersuchungsthemas mit Fragen, welche anwaltliche Beratung Pröll vor dem U-Ausschuss in Anspruch genommen hat. Sie vermutet, dass Pröll denselben Anwalt wie das Land Kärnten und die Heta hatte und über diesen Weg an Unterlagen kam – blitzt mit ihrem Ansinnen aber ab: Der Zeuge muss diese Fragen nicht beantworten, befindet der Verfahrensrichter.
Ärger um Irmgard Griss
Für Ärger bei den Abgeordneten sorgt die frühere Leiterin der vom Finanzministerium beauftragten Hypo-Untersuchungskommission, Irmgard Griss. Der Ausschuss wollte die Protokolle ihrer rund 50 Zeugenbefragungen bekommen. Die gibt es aber nicht mehr, laut Angaben der früheren OGH-Präsidentin und nunmehrigen unabhängigen Präsidentschaftskandidatin wurden diese nach Beendigung der Untersuchungen vernichtet. Griss beruft sich dabei auf eine Vereinbarung mit dem Finanzministerium, das aber dementiert: Man habe weder Einfluss auf die Arbeit der Kommission genommen noch vereinbart, dass die Protokolle vernichtet werden müssen.
Vertreter aller Fraktionen zeigen sich empört über die Vorgangsweise von Griss. Das gilt auch für die Neos, die wenig später erklärten, die Kandidatur zu unterstützen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2015)