Die Hotspots in der kalten Zeit

Über 500 Mal wird in Wien der Wunsch nach Punsch erfüllt. Was drin ist und was besser nicht hinein soll, wird zwar kontrolliert – aber die eingesessenen Punschstandler brauen dennoch nach Geheimrezept.

Der Punsch ist ein Chamäleon. Einmal hip und urban, wenn man ihn im MQ im durchdesignten Glashaus trinkt. Das andere Mal traditionell und urig, etwa auf dem Altwiener Christkindlmarkt auf der Freyung, wo der Zimt ganz besonders stark durchkommt. Und dann wieder recht edel und exklusiv, wenn am Spittelberg aus den Geschmacksrichtungen Caipirinha, Malibu oder Mojito gewählt werden kann. Wenn die Geschmäcker auch verschieden sind, eines haben die Punschfans gemeinsam: Von kalten Fingern und verbrannten Lippen lassen sie sich nicht vom Genuss abhalten.

Schmecken muss es aber trotzdem. Die Zugänge bei den Rezepturen sind verschieden, von bewährt besinnlich bis enorm exotisch lässt sich auf den Wiener Adventmärkten alles durchkosten. Auffallend sei, dass immer mehr danach gefragt werde, was denn nun wirklich alles im Punsch drin sei, berichten die Standler. Nicht zuletzt die Kontrollen des Wiener Marktamts haben in den letzten Jahren das Bewusstsein dafür geschärft, dass man nicht alles schlucken muss, was sich in den Thermobechern so ansammelt. Probleme mit Keimen gibt es zwar schon lange nicht mehr. Aber zu überzuckert und zu stark sollten die Heißgetränke auch nicht sein: Bei einem Punschtest der Arbeiterkammer wurden bis zu 7,44 Volumsprozent Alkoholgehalt gemessen. Immer verpönter wird beim anspruchsvollen Publikum auch der Zusatz von Geschmacksverstärkern.

„So was kommt bei uns gar nicht hinein, wir führen ein reines Naturprodukt, das durch Pasteurisierung haltbar gemacht wird“, sagt Sonja Paschinger. Sie betreibt auf dem Altwiener Christkindlmarkt den Punschengerl-Stand, der sich längst zum Hotspot für frierende Marktbesucher etabliert hat. 30 Jahre ist der Familienbetrieb aus dem Weinbaugebiet Wagram schon im Punschgeschäft, das dazugehörige Weingut hat eine über 400 Jahre zurückreichende Geschichte. Beim Pusch, dessen Rohstoffe teilweise auch aus Oberösterreich stammen, setzt man auf eine Mischung aus Fruchtsäften, Wein, Obstwein und Gewürzen. Die genaue Zusammensetzung des Punschengerls ist geheim, allerdings kommt es ganz ohne Konservierungsmittel, Süßstoffe, Punschkonzentrate oder Farbstoffe aus.


Die reine Natur hat ihren Preis. Ein Vierterl Weihnachtspunsch mit Alkohol kostet 3,50 Euro, die „trockene“ Variante 2,50 Euro. Schilcher Glüh geht um vier Euro über die Theke, ein Himbeer-Brombeer-Punsch ohne Alkohol um 2,50 Euro. „Die Tasse wird nicht billig verkauft, ein Produkt aus guten Rohstoffen hat eben seinen Preis“, sagt Paschinger. Aber die fünf Wochen am Standl zahlten sich dennoch aus, „sonst würden wir es ja nicht machen“. Heuer sieht Paschinger das Geschäft aber in rückläufiger Entwicklung, auch hier auf der Freyung macht man die Terrorangst für das verhaltene Konsumieren verantwortlich. Zumindest teilweise: „Die Leute lassen sich zwar nichts anmerken und sind auch in guter Stimmung, aber wenn man im Radio hört, dass man Adventmärkte meiden und sich vor größeren Menschenansammlungen in Acht nehmen soll, drückt das schon auf die Stimmung.“

Eine Gruppe ist allerdings ungebremst auf Punsch-Kurs: die Touristen. Sie werden von Adventmärkten und Punschständen wie magisch angezogen – was sich in den Nächtigungszahlen deutlich niederschlägt: Waren im November und Dezember 1985 noch knapp mehr als eine halbe Million Touristen für den Vorweihnachtszauber angereist, hat sich diese Zahl bis 2014 mehr als vervierfacht. 2.279.000 Nächtigungen wurden verzeichnet, für heuer erwartet man sich eine erneute Steigerung. „Die früher ziemlich schwachen letzten beiden Jahresmonate haben sich zu einer starken Saison entwickelt, in der Wien touristisch einen der stärksten Marktanteile unter Europas Städten hält“, sagt Walter Strasser von Wien Tourismus. Der Ausbau der Weihnachtsbeleuchtung und die auf 24 angewachsenen Wiener Adventmärkte würden dazu viel beitragen.

Dass die internationalen Besucher mit der Schlagkraft eines Punsches oder Glühweins überfordert seien, komme durchaus das eine oder andere Mal vor. Sonja Paschinger hat mit ihren Kunden auf der Freyung allerdings keine nennenswerten Probleme. „Das Publikum hier ist sehr angenehm, die Leute genießen in Maßen. Stressig wird's nur, wenn ich wie heute 85 Kinder zur Jause versorgen muss.“


Mehr als 500 Alternativen.
Wenn es wirklich einmal zu eng wird bei den Punschengerln, müssen Durstige und Frierende nicht lange nach Alternativen suchen: Mehr als 500 „Punschausschankstationen“ wurden in den letzten Jahren in Wien gezählt, nur einen Bruchteil davon machen die gewerblichen Punschstände aus. Der Rest sind kleinere Ausschänke, etwa in Pfarren, oder Gastrostandeln. An der süßen Versuchung vorbeizukommen, wird in diesem Advent sicher schwierig.

Tourismus Magnet

1985 reisten in den Monaten November und Dezember knapp mehr als eine halbe Million Städtetouristen nach Wien.

2014 hatte sich die Zahl der Nächtigungen in der Vorweihnachtszeit auf 2.279.000 mehr als vervierfacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2015)

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