Wifo-Chef: "Umfragen zu Standort Österreich sind erschütternd"

PK WIFO/IHS : 'KONJUNKTURPROGNOSE  2013 UND 2014'
PK WIFO/IHS : 'KONJUNKTURPROGNOSE 2013 UND 2014'APA/ROBERT JAEGER
  • Drucken

Karl Aiginger sagt, der Staat solle sich beim dringend nötigen "Entrümpeln" an die Rechnungshof-Vorschläge halten. Europa betrachtet er mittelfristig als Sorgenkind, das den USA hinterherhinkt.

Europa sei "mittelfristig ein Sorgenkind", konstatierte Wifo-Chef Karl Aigigner am Montag im Klub der Wirtschaftspublizisten. 2016 werde Europa ungefähr die Leistung von vor der Wirtschafts- und Finanzkrise erreichen, die USA lägen bereits zehn Prozent darüber. Das Wachstum in Europa sollte wieder Richtung zwei Prozent gebracht werden, eventuell werde es heuer in der EU bei 1,8 Prozent liegen, gestützt durch niedrigen Euro und billiges Öl. In Europa laufe Manches schief, so gebe man mehr für Rüstung aus als Russland und China zusammen, "konnte aber das Schlepperunwesen nicht reduzieren". Auch die Agrarsubventionen zugunsten besonders hoher landwirtschaftlicher Einkommen rechnet Aiginger der Kategorie "Verschwendung" zu.

Die Österreicher sollten nach dem Willen Aigingers mehr Geld im Lohnsackerl und schwächere Gebühren-Erhöhungen spüren. Die Regierung sollte sagen, dass sie jedes Jahr, in dem die Wirtschaft wächst, einen Anstieg der Nettoreallöhne wolle. Gleichzeitig sollten Gebührenerhöhungen höchsten nur halb so hoch wie die Inflationsrate ausfallen, sagte Aiginger am Montag. Weiters sollten niedrige Einkommen jeweils stärker angehoben werden als höhere Saläre. Dazu sei "eine neue Steuerreform" nötig, in die neben der Lohnsteuer auch die Sozialversicherungsbeiträge einbezogen sind, von der Geringverdiener stärker profitieren könnten. Die Ökosteuern sollten dagegen angehoben werden, denn in Österreich würden fossile Energien mit drei Milliarden Euro subventioniert, und die niedrigen Ölpreise seien leider "verführerisch", auch beim Autokauf.

Österreich soll "entrümpeln"

Der Staat selbst sollte "entrümpeln" und zunächst einmal die diesbezüglichen Vorschläge des Rechnungshofs (RH) einhalten, sagt der Wifo-Chef im Klub der Wirtschaftspublizisten. So sollte es etwa jedes Jahr weniger Beamte (und Vertragsbedienstete) bei Bund, Ländern und ausgegliederten Bereichen geben, jedes Jahr mehr für Forschung Bildung getan werden und auch jedes Jahr die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Denn derzeit seien "die Umfragen, wenn Firmen den Standort Österreich beurteilen, einfach erschütternd".

Als aktuell größte Herausforderung bezeichnete Aiginger die hohe Arbeitslosenzahl, die - inklusive Schulungen - an der 500.000er Marke kratze. Ob dieser Wert schon Anfang Februar erreicht werde, "hängt vom Wetter ab und vom Glück". 2017 dürfte die Arbeitslosenrate nach nationaler Berechnung auf über 10 Prozent klettern, nimmt das Wifo an. Gesenkt werden könnte die Arbeitslosigkeit dem Institutsleiter zufolge durch drei Maßnahmen: zu einem Drittel durch mehr Tempo beim Wirtschaftswachstum, zu einem Drittel durch ein besseres "Matching" zwischen angebotenen und gesuchten Qualifikationen am Arbeitsmarkt sowie zu einem Drittel durch die "Lösung von Fesseln" etwa bei Betriebsgründungen und neuen Berufen.

"In gewissem Grad brauchen wir Flüchtlinge"

Bei den Flüchtlingen, die nach Österreich kommen - "in einem gewissen Grad brauchen wir sie" -, sollten die Chancen eines höheren Arbeitskräfteangebots gesehen werden, nicht nur die Risiken. Flüchtlinge sollten "begleitet" in den heimischen Arbeitsmarkt hineingeführt werden, über das Arbeitsmarktservice (AMS) oder auch kleine karitative Einrichtungen. Selbst wenn 80 Prozent dieser Menschen unqualifiziert seien, seien im Umkehrschluss 20 Prozent qualifiziert, und auf diese würden Firmen warten. Über die Ergebnisse eines Kompetenzchecks von Asylberechtigten auf Jobsuche will das AMS am Dienstag im Detail informieren.

Das "kaufmännische Spiel, dass wir den Türken zahlen, damit weniger Flüchtlinge kommen", bewertet Aiginger positiv, das sei ein "do ut des" (Geben und Nehmen). Auch zu anderen Fragen habe sich die Einstellung in Europa und international geändert: "Wir kümmern uns schon drum, ob es in Syrien eine kleine oder eine große Katastrophe gibt - früher wäre uns das egal gewesen.“

Aiginger wird noch bis Spätsommer das Wifo leiten. Über seine Nachfolge soll Ende Februar entschieden werden, auf der Kandidaten-Shortlist stehen fünf Personen - darunter keine Frau

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Nicht klimaschonend
Österreich

Falsch fördern, bis das Klima kippt

Vier Milliarden fließen in Österreich jährlich in (Steuer-)Subventionen, die der Umwelt schaden, rechnet das Wifo vor. Die großen Brocken: Diesel, Pendler, Industrie und Wohnbau.
Berufspendler
Österreich

Wifo kritisiert "Überförderung des Pendlers"

Rund vier Mrd. fließen laut Wirtschaftsforschungsinstitut in Subventionen, die der Umwelt schaden. Wifo-Chef Aiginger fordert eine Reduktion.
Österreich

Subventionen: Wie der Förderweltmeister agiert

Österreich gibt 19,25 Milliarden Euro für direkte und indirekte Förderungen aus. Wer die meisten Subventionen verteilen darf - und wer davon profitiert.
International

Jobs: EU erholt sich, Österreich nicht

Laut Eurostat verzeichnet die EU die niedrigste Arbeitslosenquote seit 2009. Nur in zwei Ländern ist diese im vergangenen Jahr gestiegen: in Finnland und in Österreich.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.