Deutsches Lob für Österreichs Pensionssystem

(c) Clemens Fabry
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Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung kommt zum Schluss, dass Österreichs Pensionisten besser abgesichert sind. Gründe sind die höheren Beiträge und die günstigere demografische Situation.

Wien. Im wirtschaftlichen Vergleich mit Deutschland ist Österreich zuletzt ins Hintertreffen geraten: Die heimische Wirtschaft wächst langsamer als beim großen Nachbarn, die Arbeitslosigkeit steigt, während sie in Deutschland zurückgeht, und die Schuldenquote am BIP war hierzulande 2014 um zehn Prozentpunkte höher.

Die gewerkschaftsnahe deutsche Hans-Böckler-Stiftung hat nun einen Punkt gefunden, in dem Österreich besser abschneidet. In einer Studie („Alterssicherung in Deutschland und Österreich: Bei den Nachbarn lernen?“) kommen die Autoren zum Schluss, dass das österreichische System einen deutlich besseren Schutz im Alter durch höhere Leistungen gewährleiste. Dabei, so die Studienautoren, „sind die ökonomischen Rahmendaten in Österreich denen in Deutschland weiterhin vergleichbar – ein starkes öffentliches Rentensystem belastet also offenbar nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes“: Zu diesem Schluss kommen die Autoren, indem sie das Wirtschaftswachstum seit 2000 vergleichen. Hier hat Österreich die Nase vorn, da die deutsche Wirtschaft in den Nullerjahren noch mit den Folgen der Wiedervereinigung zu kämpfen hatte. Dass Deutschland seit 2013 eine niedrigere Arbeitslosenquote als Österreich hat, erklären sie mit dem stärkeren Wachstum des Arbeitskräfteangebots in Österreich.

Dabei liege die Nettoersatzrate (Nettopension gemessen am Nettoerwerbseinkommen) eines „zukünftigen Durchschnittsverdieners“, der nach 45 Beitragsjahren mit 65 Jahren in Pension geht und in jedem Erwerbsjahr das Durchschnittseinkommen erzielt hat, in Österreich bei 90 Prozent, in Deutschland nur bei 50. Die Autoren berufen sich dabei auf OECD-Daten. In beiden Ländern dürften die tatsächlichen Pensionen darunter liegen, da viele Menschen keine 45 Beitragsjahre aufweisen und zudem in der Anfangsphase der Berufstätigkeit meist weniger verdient werde, mit zunehmender Erwerbsdauer das Einkommen aber steige.

Kritik an privater Vorsorge

Österreichs Pensionisten wären auch dann besser abgesichert, wenn man berücksichtige, dass die Deutschen „riestern“ (privat vorsorgen). Dann steige die Nettoersatzrate in der Pension auf 63,7 bis 65,6 Prozent. Doch halten die Autoren die OECD-Annahmen einer realen Nettorendite von drei Prozent pro Jahr und einem durchgehenden Beitrag zur Zusatzvorsorge von vier Prozent für „unrealistisch hoch“. Immerhin profitieren die Deutschen, die bereits eine Pension beziehen, davon, dass diese schneller steigt: Während die österreichischen Pensionen an den Verbraucherpreisindex gekoppelt sind, folgen die deutschen der Lohnentwicklung (vermindert um Korrekturfaktoren).

Als Erklärung für die „geringere Leistungsfähigkeit des deutschen Rentensystems“ führt die Studie unter anderem den in Österreich höheren Beitragssatz (22,8 statt 18,9 Prozent) sowie die „etwas günstigere demografische Situation“ an: Der Altersquotient, der die Zahl der über 65-Jährigen mit jener der 20- bis 64-Jährigen vergleicht, liegt in Österreich bei 30,3 und in Deutschland bei 35,3 Prozent. (b. l.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2016)

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