„Es ist gescheiter, sie verdienen etwas“

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THEMENBILD: ´SCHWARZARBEIT´(c) APA (Helmut Fohringer)
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Pfusch. Arbeitslosigkeit und Flüchtlinge werden die Schattenwirtschaft ankurbeln, meint der Ökonom Friedrich Schneider. Er sieht Schwarzarbeit nicht nur negativ, sie erhöhe den Wohlstand.

Wien. Pfuschen gehen ist immer noch besser als herumsitzen, sagt der Linzer Volkswirtschafts-Professer Friedrich Schneider. Und meint damit die Situation von Flüchtlingen, solange sie nicht in den offiziellen Arbeitsmarkt integriert werden können. 50.000 bis 100.000 Flüchtlinge werden die Schattenwirtschaft in Österreich heuer um 240 bis 480 Millionen Euro ankurbeln, erwartet Schneider. Der Volkswirtschaft schade das nicht: „Es ist doch gescheiter, sie verdienen etwas. 85 Prozent davon geben sie wieder aus.“

Insgesamt prognostiziert Schneider in seiner aktuellen Studie dennoch, dass der Anteil der Schattenwirtschaft an Österreichs Wirtschaftsleistung sinken wird. Zwar werde auch der Anstieg der Arbeitslosigkeit um rund 50.000 Personen im Vergleich zu 2014 den Pfusch ankurbeln, und zwar um bis zu eine Milliarde Euro. Gegenläufige Tendenzen hält er aber für noch wirksamer: So werde die Entlastung der Einkommensbezieher durch die Steuerreform die Schattenwirtschaft – je nach zugrunde gelegten Annahmen – um 1,85 bis 2,25 Mrd. Euro verringern.

Schneider rechnete mehrere Varianten durch und kommt zum Ergebnis, dass die Schattenwirtschaft in Österreich heuer um 720 Mio. Euro sinken sollte. Noch weitaus stärker zurückdrängen ließe sie sich, meint er, wenn der ausgelaufene Handwerkerbonus weitergeführt wird: Dann sei ein Rückgang um bis zu 1,71 Mrd. Euro möglich. Aber selbst ohne Handwerkerbonus werde die Schattenwirtschaft heuer nur noch 7,76 Prozent des offiziellen BIPs ausmachen. Das wäre ein Rückgang um 3,33 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Fünf Euro pro Stunde

Aber zurück zu den erwarteten Pfusch-Aktivitäten der Flüchtlinge: Noch im September sagte Schneider, er rechne dadurch – vor allem wegen der Sprachbarriere – kurzfristig mit keinem nennenswerten Anstieg der Schwarzarbeit und auf etwas längere Sicht mit einem Plus von etwa 200 Mio. Euro. „Ich habe seither mit Flüchtlingen gesprochen und sie gefragt, ab wie viel Geld pro Stunde sie arbeiten würden“, sagt Schneider zur „Presse“. Häufigste Antwort: fünf Euro. Das und ein Arbeitsausmaß von 20 Wochenstunden, das aufgrund der Gespräche ebenfalls plausibel erscheine, habe er seiner Berechnung zugrunde gelegt. Keine validen Daten, wie er selbst sagt – dennoch habe er seine Einschätzungen damit präzisieren können.

(c) Die Presse

Arbeitsmöglichkeiten werden Flüchtlinge – trotz des Sprachproblems – sowohl in Betrieben als auch bei Privatpersonen finden, erwartet Schneider. Auch Graubereiche gebe es, „manche werden vielleicht Praktika machen“. Seine Annahme, dass Flüchtlinge 85 Prozent des im Pfusch verdienten Geldes wieder in die Wirtschaft pumpen werden, erklärt der Wirtschaftsprofessor damit, dass „die meisten nichts haben“ und deshalb kaum sparen können. Aber auch insgesamt werden nach seinen Berechnungen 60 bis 65 Prozent des in der Schattenwirtschaft verdienten Geldes dem Wirtschaftskreislauf wieder zugeführt.

„Grauschattierungen“

Dass „Herumsitzen ganz schlecht ist“, treffe auf Langzeitarbeitslose genauso zu, sagt Schneider zur „Presse“. „Langzeitarbeitslose pfuschen auch“, für viele sei das die einzig sinnvolle Tätigkeit, die ihnen bleibt. Und ja, er stehe nach wie vor zu seiner These: „Pfusch erhöht den Wohlstand.“ Während Steuerhinterziehung dem Staat eindeutig schade, gebe es bei der Schattenwirtschaft „nicht nur Schwarz-Weiß, sondern auch Grauschattierungen.“ Zurückgedrängt gehöre der Pfusch dennoch – vor allem mit anreizorientierten Maßnahmen, die wirksamer seien als Strafen. Schneiders Vorschläge neben dem Handwerkerbonus: befristete Mehrwertsteuerrückvergütung bei arbeitsintensiven Dienstleistungen, Senkung der Lohnnebenkosten sowie eine drei- bis fünfjährige Sperre von Firmen, die schwarzarbeiten (lassen), bei öffentlichen Auftragsvergaben.

Und die Registrierkassenpflicht? Sie werde heuer noch keine nennenswerten Auswirkungen haben, könnte aber 2017 die Schattenwirtschaft um 500 bis 700 Mio. Euro reduzieren, sagte Schneider zur APA. Die Hoffnung auf 900 Mio. Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen sei aber auch für 2017 zu hoch gegriffen, allenfalls seien 300 bis 450 Mio. Euro möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2016)

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