Tourismus: Der Gast von morgen, das unbekannte Wesen

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Eine neue Studie will die Traditionalisten unter den Hoteliers ins digitale Zeitalter lotsen. Social Media sind für die meisten Hoteliers nämlich immer noch Neuland.

Zell am See. Fast die Hälfte der potenziellen Hotelgäste wird 2020 mit der Digitalisierung aufgewachsen sein, mehr als die Hälfte aller Hotelbuchungen werden schon heute online abgeschlossen. Diesem Paradigmenwechsel steht eine Branche gegenüber, in der sich nicht einmal die Hälfte der 667 befragten Betriebe in Deutschland, Schweiz und Österreich als „digital fortgeschritten“ bezeichnet. Das ergab eine am Montag im Rahmen des österreichischen Hotelierkongresses in Zell am See präsentierte internationale Studie von Roland Berger und der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV).

„Es braucht eine exakte Positionierung auf kleinstem Raum“, sagt Studienautor Vladimir Preveden. Denn Buchungen mittels mobiler Endgeräte und Videowerbungen über Kanäle wie YouTube „heben 2016 ab“. Da ist es natürlich ein Pferdefuß, dass soziale Medien mit Ausnahme von Facebook für die meisten Hoteliers Neuland sind. „Ein Viertel möchte YouTube in den nächsten drei Jahren einsetzen, da wird es zu spät sein“, sagt Preveden.

Wie suchen Touristen?

Er verweist auf eine Google-Studie vom Herbst 2015, die das Suchverhalten vor Reiseantritt erhob. An den ersten Stellen standen Suchmaschinen, die eigene Hotel-Homepage, dann YouTube – und erst an fünfter Buchungsplattformen wie Booking.com. Daran werde, so Preveden, deutlich: „Sie sind nicht die Schlimmen, die alles wegnehmen, denn die ersten drei kann ich entschieden für mich nutzen.“

Die Feindbilder Booking.com und Konsorten sollten bei richtiger Umsetzung gezielt eingespannt werden können, nicht umgekehrt den Hotelier mit Preisbindungen vor sich her treiben, erklärt der Experte. Trotzdem pocht die Österreichische Hoteliervereinigung auf Rechtssicherheit im Umgang mit Booking.com, Airbnb und Co. Gegen ersteres Unternehmen überlege man sogar, wegen wettbewerbsschädigender Vertragsklauseln gemeinsam mit dem WKO-Fachverband Hotellerie vor das Kartellgericht zu ziehen, sollte die Wettbewerbsbehörde nicht bald tätig werden, erklärt Markus Gratzer, Generalsekretär der ÖHV, im Rahmen der Studienpräsentation: „Frankreich regelt das gesetzlich, das ist die Benchmark.“

Neben einer Perfektionierung des digitalen Auftritts sieht Preveden die Lehre aus der Studie im Umdenken hin zu einem langfristigen, individuellen Gästekontakt. „Customer Journey“ nennt sich die Reise des Kunden von der Suche der Destination bis hin zum Feedback danach. 24 Tage und 21 Berührungspunkte würden dem Hotelier hier geboten, um den Gast von sich zu überzeugen. Angesichts der Tatsache, dass 65 Prozent zu Beginn nicht einmal eine Ahnung haben, wohin es im Urlaub gehen soll, liege noch viel ungenütztes Potenzial brach. „Dank der digitalen Mittel besteht erstmals die Chance, den Gast nicht nur mit einem standardisierten Newsletter zum Zeitpunkt der Buchung anzusprechen.“ So könne man eine Beziehung zum Kunden aufbauen, Preisgarantie kommunizieren – und biete Booking.com und Co. weniger Einfallstore.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2016)

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