Jeder fünfte Steuer-Euro fließt ins Pensionssystem

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Der Generationenvertrag funktioniert nicht mehr. Allein 2014 stiegen die Zuschüsse ins Pensionssystem um 834 Mio. Euro.

Wien. Ausgerechnet ein Schalttag ist für die Regierung ein wichtiger Stichtag. Am 29. Februar will sie die nächsten Schritte für eine Pensionsreform bekannt geben. Wie wichtig hier umfassende Änderungen sind, zeigen die jüngsten Berechnungen von Ulrich Schuh, Forschungsvorstand des Instituts für Wirtschaftsforschung Eco Austria. Der „Presse“ liegt die gesamte Datenanalyse vor. Das Besondere an dieser Auswertung ist, dass sie einen Überblick über die Gesamtsituation liefert. Denn meist wird in der Öffentlichkeit nur über Teilbereiche – wie beispielsweise über die ASVG-Pensionen - diskutiert.

Laut Schuh sind in Österreich 2014 die Leistungen für alle Pensionisten (Arbeiter und Angestellte, Beamte, Bauern, Selbstständige etc.) von 48,06 Milliarden Euro auf 49,778 Milliarden Euro gestiegen. Davon konnten aber nur 28,369 Milliarden Euro durch die Beiträge der Versicherten abgedeckt werden. Somit ergibt sich eine Deckungslücke von 43 Prozent beziehungsweise 21,409 Milliarden Euro. Für diese Lücke kamen die Steuerzahler auf.

Besorgniserregende Entwicklung

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Zum Vergleich: 2014 lagen in Österreich die Steuereinnahmen bei 93,34 Milliarden Euro. Das bedeutet, dass mehr als 20 Prozent aller Steuereinnahmen ins Pensionssystem fließen. Die Deckungslücke wird ständig größer. So musste der Staat 2014 um 834 Millionen Euro mehr als 2013 für Pensionen ausgeben. Für Schuh sei diese Entwicklung besorgniserregend. Interessant ist auch die Aufteilung. Von den 21,409 Milliarden Euro, die der Staat zuschießen musste, entfielen 8,9 Milliarden Euro auf die Beamtenpensionen. Gemeint sind hier Bund, Länder, öffentliche Rechtsträger und ausgegliederte Einheiten wie Beamte bei ÖBB, Post etc.

Für alle anderen Rentner (wie ASVG, Bauern, gewerbliche Wirtschaft und freie Berufe) summierten sich die Zuschüsse auf 12,5 Milliarden Euro. Laut Schuh stiegen die gesamten Pensionsleistungen seit 2008 mehr als doppelt so schnell wie die Beiträge der Versicherungen. „Alle bisher eingeleiteten Maßnahmen haben auch 2014 nicht gegriffen“, kritisiert der Ökonom von Eco Austria.

Am Mittwoch stellte sich zu diesem Thema eine parteiübergreifende Initiative mit Nationalbank-Präsident Claus Raidl an der Spitze vor. Diese fordert einen neuen Generationenvertrag. Mit dabei sind die Junge Industrie, die Junge ÖVP, die Neos und zahlreiche Prominente - unter anderem Bernhard Felderer (Präsident des Fiskalrats) und Wolfgang Mazal (Universität Wien).

Die Initiative verlangt eine sofortige Angleichung des Frauenpensionsalters an jenes der Männer. Man müsse jetzt gleich starten, und nicht erst ab 2024, betont Therese Niss, Vorsitzende der Jungen Industrie. In Halbjahresschritten soll das Frauenpensionsalter bis 2021 auf 65 Jahre angehoben werden. Professor Mazal ist der Ansicht, dass dies nicht verfassungswidrig wäre.

SPÖ und ÖGB sind dagegen

In weiterer Folge soll das Pensionsantrittsalter für alle an die Lebenserwartung gekoppelt werden. Weiters verlangt die Initiative die Vereinheitlichung aller Pensionssysteme (ASVG, Beamte, ÖBB etc.) bis 2030. Die staatlichen Zuschüsse für alle Pensionisten von jährlich mehr als 20 Milliarden Euro sollen in längstens zehn Jahren halbiert werden.

Um die Chancen für ältere Menschen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, wird auch die Aufgabe des Senioritätsprinzips verlangt. Da ältere Mitarbeiter oft deutlich mehr verdienen als jüngere, werden sie von manchen Firmen in die Pension gedrängt. Die Vertreter der Initiative wollen nicht hinnehmen, dass in Österreich die zukunftsbezogenen Ausgaben (wie für die Forschung und Bildung) reduziert werden, während die Ausgaben für die Pensionen steigen. „Wir haben keine Reserven mehr“, sagt Professor Mazal. So müssen gegenwartsbezogene Ausgaben wie die Integration von Flüchtlingen mit Schulden finanziert werden.

Eine klare Abfuhr kommt von der SPÖ. Auch der Gewerkschaftsbund ist der Ansicht, dass Radikalkuren im Pensionssystem nicht notwendig seien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2016)

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