Nationalbank-Vize Ittner: „Manche Banken gehen über Grenzen“

„Früher konnte die Aufsicht nicht wirklich etwas tun, bis es eigentlich zu spät war“, sagt OeNB-Vizegouverneur Ittner.
„Früher konnte die Aufsicht nicht wirklich etwas tun, bis es eigentlich zu spät war“, sagt OeNB-Vizegouverneur Ittner.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der für Bankenaufsicht zuständige Nationalbank-Vizegouverneur, Andreas Ittner, über die Regulierung der Banken, über Unterschiede zum Krisenjahr 2009 – und über das Faktum, dass Bankomatabhebungen Kosten verursachen.

Die Presse: Die Hypo dürfte zum größten wirtschaftlichen Debakel der Zweiten Republik werden. Können Sie als für die Bankenaufsicht zuständiger Vizegouverneur der Nationalbank ausschließen, dass es noch einmal zu so einem Fall kommen kann?

Andreas Ittner: Ich kann ausschließen, dass es zu einem zweiten Fall Hypo kommt. Was ich nicht ausschließen kann ist, dass es wieder einmal zu einem Bankenproblem kommt. Denn das Wirtschaftsleben ist damit verbunden, Risken zu übernehmen. Und wer Risken übernimmt, kann auch falschliegen. Unsere Aufgabe in der Aufsicht ist, die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen und die Eintrittswahrscheinlichkeit zu reduzieren.


Sind wir in Summe jetzt sicherer als im Jahr 2009?

Wir haben wesentliche Fortschritte gemacht. Wir haben deutlich höhere Kapitalstände in den Banken und eine verbesserte Liquiditätssituation. Zudem sind wir auch dabei, die Regeln für einen geordneten Marktaustritt zu schaffen.


Die verschärfte Regulierung hat also positive Effekte gebracht. Allerdings gibt es auch eine andere Seite der Medaille. Viele Banker sagen, dass die Regulierung zu viel wird. Oft könnten Kredite deshalb nicht mehr vergeben werden. Behindert die Aufsicht die Arbeit der Banken?

Nein. Das Interesse der Bankenaufsicht ist nicht konträr zu dem eines seriösen Managements. Banken sollen über ihre Risken Bescheid wissen und diese auch managen. Darüber hinaus verlangen wir einen Eigenkapitalpolster, der erlaubt, falsch eingeschätzte Risken abzufangen. Das Problem ist, dass wir heute in einer Kultur leben, in der viele die gesetzten Grenzen maximal ausloten wollen. Daraus ergibt sich der Versuch der Aufsicht, auch immer mehr Details zu regeln. Ist das der richtige Weg? Ich glaube, wir sollten wieder mehr zu einer Regulierung kommen, die auf Prinzipien basiert. Dazu bedarf es aber auch eines gewissen Verständnisses bei den Banken.


Sind die heimischen Banken Hasardeure?

Es ist nicht gerechtfertigt, von allen Banken einheitlich zu reden. Es hängt auch nicht unbedingt mit der Größe zusammen. Wir kennen ja Fälle aus anderen Ländern, wo sich auch große Banken in Abmachungen verstrickt haben, die nun strafrechtlich verfolgt werden. Allerdings beinhaltet das Ziel mancher Banken, bestimmte Nischen zu besetzen, auch immer das Risiko, dass ich in dieser Nische den Spielraum maximal ausnützen möchte. Und dann auch über die Grenze gehe. Die Regulierung verlangt halt, dass die Bank bei der Übernahme von Risken auch entsprechende Unterlagen hat und nicht nur auf Basis von ein paar freundlichen Gesprächen einen Kredit vergibt.


Die Kritik an der Regulierung kommt aber nicht nur von kleinen Instituten. Im „Presse“-Interview hat sich etwa auch Erste-Bank-Chef Andreas Treichl entsprechend geäußert. Wäre ein Generaldirektor Treichl ohne Regulierung nicht in der Lage, das richtig zu machen?

Wir kommen aus einer Phase, in der die Regulierung sehr weitmaschig war. Vor 2008 ging es den Banken primär um Wachstum. Auf Sicherheitsmechanismen etwa in der IT ist nicht so genau eingegangen worden. Früher ist das aber auch gegangen, weil aufgrund der höheren Margen der wirtschaftliche Spielraum größer war.


Muss man nicht fairerweise dazusagen, dass die Aufsicht die vorhandenen Risken vor 2008 auch nicht gesehen hat?

Uns waren viele Instrumente nicht gegeben, die wir jetzt haben. Damals konnten wir nur reagieren, wenn ein gewisses Mindestkapital unterschritten wurde. Selbst wenn ich gesehen habe, dass sich eine Bank verschlechtert, konnte ich nicht wirklich etwas tun, bis es eigentlich schon zu spät war. Daher gibt es jetzt vor allem zukunftsweisende Maßnahmen wie den Stresstest. Oder den geordneten Marktaustritt, der verhindern soll, dass es nur die Wahl zwischen Konkurs und dem Einspringen des Steuerzahlers gibt.


Ein Plan der EZB ist das sogenannte Ana-Credit-System, bei dem jeder Kredit über 25.000 Euro gemeldet werden muss. Bei Banken gibt es die Befürchtung, dass das zu einem Kreditkontrollsystem werden könnte. Werden Kreditvergaben in Zukunft in Frankfurt entschieden?

Das halte ich für völlig ausgeschlossen und für Unsinn. Das Beurteilen des Kreditrisikos ist die originäre Aufgabe der Banken. Es ist totaler Unfug zu glauben, dass das die Aufsicht oder die öffentliche Hand besser könnte. Dazu gibt es entsprechende Erfahrungen aus dem früheren Osteuropa, wo es ja ein Einbankensystem gegeben hat. Dieses neue Meldesystem ist zudem ja gar nicht von der Bankenaufsicht getrieben, sondern von der Währungspolitik. Die EZB möchte wissen, ob die Kredite in jenen Sektoren ankommen, in denen sie etwas bewirken können.


Beim zweiten Punkt der Pläne steht aber sicher die Aufsicht dahinter. Demnach soll jeder notleidende Kredit ab 100 Euro an die EZB gemeldet werden. Das könnte dann auch überzogene Konten betreffen. Schießt man nicht mit Kanonen auf Spatzen?

Ich teile diese Einschätzung vollkommen und glaube auch nicht, dass dieser Plan die noch bevorstehenden Konsultationen innerhalb der EZB überleben wird.


Sie meinten vorhin, dass sinkende Margen den Druck erhöhen. Zuletzt hieß es bei der Nationalbank, dass sich die Banken daher auch von der Gratismentalität verabschieden müssten. Sollen Bankomatabhebungen hierzulande etwas kosten, wie das in anderen Ländern üblich ist?

Sie werden verstehen, dass ich keine Produktempfehlungen gebe. Ich kann nur sagen, dass Serviceleistungen Kosten verursachen und wenn diese nicht in irgendeiner Form bezahlt werden, dann werden sie nicht angeboten. Auch bisher werden diese Kosten bezahlt, aber vielleicht nicht von dem Kunden, der sie verursacht.


Die Aufsicht fordert höhere Eigenkapitalquoten. Die Banken kritisieren, dass es ihnen unmöglich ist, Eigenkapital aufzubauen, weil Gewinne durch die Bankensteuer wegbesteuert werden. Soll diese Steuer, nachdem auch der EU-Bankenfonds von den Instituten bedient werden muss, abgeschafft werden?

Es ist wichtig, den Banken zu ermöglichen, eine ausreichende Eigenkapitalhöhe zu schaffen. Wenn der Staat nun Ertragsbestandteile abzieht, kann der Kapitalaufbau nicht umgesetzt werden. Es wäre also sehr hilfreich, wenn diese Mittel nicht mehr abgezogen würden.

Zur Person

Andreas Ittner ist seit dem 1. September 2008 der für Finanzmarktstabilität, Bankenaufsicht und Statistik zuständige Direktor der Oesterreichischen Nationalbank. Seit Juli 2013 führt er diese Tätigkeit in seiner Funktion als Vize-Gouverneur der heimischen Notenbank aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2016)

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