Darth Vader hat den Clown verdrängt

Der Ukrainer Darth Mykolaiovych Vader - ja, das ist sein offizieller Name - trägt ganzjährig schwarz. Im Traditionsgeschäft Witte ist die Star Wars-Figur im Fasching heuer im Trend.
Der Ukrainer Darth Mykolaiovych Vader - ja, das ist sein offizieller Name - trägt ganzjährig schwarz. Im Traditionsgeschäft Witte ist die Star Wars-Figur im Fasching heuer im Trend.(c) REUTERS
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Familie Schmid führt das Traditionsgeschäft Ed. Witte am Wiener Naschmarkt. Klassisch und skurril präsentiert sich der Kostümverkaufsladen seinen Kunden. Ein Besuch bei ungeliebten Clowns, Tiermasken und Kaiserkostümen.

Poppy, Lola, Fabienne, Mary. Was klingt wie die Zusammenstellung einer aus der Mode gekommenen Popband, sind in Wahrheit die Namen von Perücken-Köpfen im Traditionsgeschäft Witte. Weibliche Köpfe, die pinke oder blonde Perücken tragen und den Kunden mit weit aufgerissenen, schrill bemalten Augen anstarren. Darunter die Namensschilder. Alles sehr persönlich und ein wenig skurril.

Das Kostümgeschäft am Wiener Naschmarkt kann ohne große Übertreibung als Institution bezeichnet werden. Beim Thema Witte kann man die Wahlwiener von den echten Wienern unterscheiden. Fällt der Name des Kostümgeschäfts bekommt ein in Wien geborener Mensch glasige Augen und ein kindliches Funkeln à la Peter Pan. Dann folgt eine Anekdote, die vom schönsten Kostüm im Fasching berichtet. Das selbstverständlich bei Witte gekauft wurde. Solche Geschichten gibt es wahrscheinlich so viele, wie es verschiedene Kostüme bei Witte gibt.

Jedes Jahr ein neuer Trend. Seit nun mehr als 150 Jahren kauft der echte Wiener bei Witte ein. Die heutigen Besitzer, Susanne und Fritz Schmid, übernahmen 1998 das Geschäft und führen es bis heute mit viel Liebe zum Detail weiter. Familie Schmid führt außerdem einen Großhandel für Festartikel in Niederösterreich. Das Kostümgeschäft Ed. Witte war davor eines ihrer Kunden.

Enthusiasmus und ein wenig Stolz schwingen in der Stimme von Susanne Schmid mit, wenn sie von ihrem Laden berichtet. Fasching sei das größte Geschäft. Doch Silvester, Halloween und Kindergeburtstage seien ebenfalls wichtige Einnahmequellen. „Wir leben natürlich von diesen Hochsaisonen.“ Trotzdem würden jeden Tag Perücken gekauft, fügt sie schnell hinzu.

Ob der Onlinehandel negative Auswirkungen hätte? „Natürlich spüren wir das“, gesteht Fritz Schmid. Aber Kostüme seien etwas anderes als zum Beispiel Bücher. Oft würden die online bestellten Kleider, die nach Hause geliefert werden, nicht passen. „Hier im Geschäft kann man das Kostüm sofort anprobieren.“ Ein großer Vorteil des physischen Ladens. Außerdem legen viele Kunden auch im digitalen Zeitalter noch Wert auf eine gute Beratung. „Hier möchten wir uns besonders hervortun. Wir möchten Spezialisten sein“, sagt Susanne Schmid.

Der Kostümladen besteht aus zwei Geschäftsräumen, die durch einen Gang miteinander verbunden sind. Drei Verkäuferinnen wuseln durch die Räume und versuchen, den Faschingsansturm zu bewältigen. Um die 20 Kunden tummeln sich in dem relativ kleinen Geschäft. „Das ist noch gar nichts. Es ist nicht viel los, im Vergleich zu anderen Tagen“, sagt Frau Schmid, während sie die Kunden beobachtet, die ihrerseits interessiert und belustigt Obama-Masken, Hexenhüte und glitzernde Diademe begutachten.

Die Zeiten ändern sich. Aber auch ein wenig Wehmut lässt sich aus den Erzählungen der beiden Inhaber heraushören. Denn die Kaufgewohnheiten und Vorlieben der Kunden haben sich stark verändert. „Heute interessiert niemanden mehr ein normaler Clown“, bemerkt Fritz Schmid mit resigniertem Blick und widmet sich wieder seinem Computer. Seine Frau pflichtet ihm bei und spricht über die modernen Wünsche ihrer Kunden: „Alles, was im Fernsehen und im Kino läuft, ist sehr beliebt. Voriges Jahr ist ein regelrechter Hype um diese Eiskönigin aus einem Disneyfilm ausgebrochen.“ Heuer interessiere das niemanden mehr. Dafür seien jetzt fast alle „Star Wars“-Kostüme ausverkauft.

Ebenfalls eine Neuheit der vergangenen Jahre: Halloween wird immer beliebter. „Die Kunden unter 35 Jahre feiern Halloween und die über 35 Jahre feiern Fasching“, sagt Fritz Schmid. Das spiegelt sich bei Witte mittlerweile auch in den Geschäftsräumen wider. Hinter der Kassa steht eine Verkäuferin, die ihre besten Jahre schon hinter sich hat: ein Skelett. Es trägt einen braunen Umhang, und seine Hand ist wie zum Gruß erhoben. Ohne die Herzluftballons und orangefarbenen Federboas um die Knochen könnten sich sogar eingefleischte Halloweenfans ein wenig gruseln. Kurz vor dem 31. Oktober ist Hochsaison beim Witte. Dann bildet sich eine meterlange Menschenschlange vor der Tür des Wiener Geschäfts. Zu chaotischen Zuständen kommt es dabei trotzdem nicht, betont Susanne Schmidt. „Alle stellen sich brav an und verhalten sich sehr zivilisiert.“ Sie lacht. Dann bringt sie mit großer Vorsicht kleine Faschingsutensilien wieder in die richtige Position.

Minions und Zauberstäbe. Ob sie sich selbst noch gern verkleiden? Fritz Schmid winkt mit einem müden Lächeln ab. Nein. Doch Frau Schmid widerspricht. „Ich verkleide mich sehr gern.“ Nicht immer mit einem aufwendigen Kostüm. Aber für schöne Hüte habe sie etwas übrig. „Dann ist es auch egal, wie die Frisur aussieht“, fügt sie mit einem Augenzwinkern hinzu und streicht über ihre blonden, leicht toupierten Haare.

Das Sortiment des Kostümladens ist so bunt wie die Kundschaft. Mütter laufen mit ihren kleinen Buben an der Hand durch den hinteren Ladenteil, der die Kostüme beherbergt. Dort finden sich klassische Piraten-Outfits, neben Sultankostümen und Ganzkörper-Froschanzügen. Am anderen Ende des Raums sucht ein älterer Herr nach einem Kaiserkostüm. „Das ist mir noch zu wenig pompös“, teilt der Mann der Verkäuferin mit und hält dabei den rot und weiß glänzenden Anzug prüfend in die Höhe. Sie nickt verständnisvoll. „Wie wäre es noch mit einer Perücke dazu?“, fragt sie in einem freundlichen Tonfall. Der grauhaarige Mann mustert die junge Verkäuferin skeptisch. „Ja, versuchen wir das“, sagt er.

In der Zwischenzeit strömen immer neue Kunden durch den farbenfrohen Laden. In englischer Sprache wird über Tiermasken diskutiert. Doch Kostüme sind bei Weitem nicht die einzigen Waren, die Witte anbietet. Wer eine Party ausrichten will, ist hier richtig. Egal, ob Themen-Kindergeburtstag oder feucht-fröhliche Silvesterfeier. Partyteller und Pappbecher mit den gelben, sprachbeeinträchtigten Monstern darauf liegen im Regal neben Zauberstäben und künstlichen neongrünen Wimpern.

Tradition versus Moderne. In einer anderen Ecke des Ladens sind Valentinstagsartikel aufgereiht. Ein überdimensionaler Herzluftballon versucht, Aufmerksamkeit zu erregen. Das erscheint schwierig angesichts der schrillen Einrichtung des Geschäfts. So vielfältig wie das Sortiment sind auch die aktuellen Herausforderungen, denen sich ein Traditionsgeschäft wie Witte stellen muss. Zum Beispiel beim Einkauf. „Man muss sich aktuellen Trends anpassen“, erklärt Susanne Schmid. Ob es nun die Minions oder die Eiskönigin ist. Daran wird auch der Clown auf der Website des Unternehmens nichts ändern.

Kostüme in Wien

Ed. Witte. Kostüme aller Art, Masken, Partyzubehör, Feuerwerkskörper und Dekorationsartikel stehen hier seit 1863 zum Verkauf. Linke Wienzeile 16, 1060 Wien. www.witte.at

Faschingsprinz. Das Kultgeschäft verkauft ebenfalls Kostüme aller Art und für jeden Anlass. In der Hochsaison, also im Fasching, ist mit langen Warteschlangen vor dem Geschäft zu rechnen. Taborstraße 11b, 1020 Wien. faschingsprinz.eu

Kostümhaus. Hier kann man sich Kostüme individuell anfertigen lassen. Neben Privatkunden versorgt das Kostümhaus auch Theater- und Filmproduktionen.
Eine Terminvereinbarung wird dringend empfohlen. Gumpendorferstr. 34, 1060 Wien. www.kostuemhaus.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2016)

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