Energiewende: "Eine Politik ohne Mut erzeugt Unmut"

Solarenergie
Solarenergie(c) Michaela Bruckberger
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Der niedrige Ölpreis könne die Energiewende nicht aufhalten, sagt Peter Püspök. Der Chef des Verbands für Erneuerbare Energien fordert einen fairen Markt – dann könnten Wind- und Solarstrom auf alle Förderungen verzichten.

Bei der Klimakonferenz in Paris wurde angeblich die Welt gerettet. Aber macht der niedrige Ölpreis den Sonntagsrednern nicht einen dicken Strich durch die Rechnung?

Peter Püspök: Das viel zu billige Öl ist eine gefährliche Falle. Er verleitet zu Fehlinvestitionen, in die man dann über Jahrzehnte eingesperrt ist – zum Beispiel durch zu billig gebaute, schlecht isolierte Häuser. Es ist zu befürchten, dass das auch eine Motivation der großen Ölförderländer ist.

Schnappt diese Falle auch in Österreich zu?

Ja leider. Die Politik müsste gegensteuern. Aber sie ist so entscheidungsschwach. Es gibt keine Energiestrategie. Auch das Niveau der Diskussion ist bei uns erschreckend niedrig. In Deutschland ist es zehnmal so hoch.

Aber die deutsche Energiewende steht unter Beschuss: Die Politik hebelt den Markt aus und „überfördert“ die Erneuerbaren.

Auch die Deutschen haben viele Fehler gemacht. Aber das Argument des „Überförderns“ ist total falsch. Die Erneuerbaren brauchen nur deshalb einen Zuschuss, weil die Bedingungen nicht fair sind. Marktwirtschaft ist, wenn derjenige die Kosten trägt, der sie verursacht. Das hat man beim CO2über Zertifikate versucht, aber das war idiotisch gemacht und soll reformiert werden. Sie können den CO2-Schaden durchs Verbrennen von fossilen Energieträgern ausrechnen: Es sind acht Cent pro Kilowattstunde. Das muss man ihrem Preis zuschlagen. Dann brauchten wir keinen Cent Förderung.

Was schlägt Ihr Dachverband der Erneuerbaren Energien konkret für Österreich vor?

Eine Steuer, die steuert: eine CO2-Abgabe, die von 2020 bis 2030 von null auf acht Cent ansteigt. Also nicht überfallsartig, sondern gut planbar. Ab 2025 könnten dann wir Erzeuger von Ökostrom auf alle Förderungen verzichten.

Das freut den Finanzminister: eine neue Steuer zum Stopfen seiner Budgetlöcher.

Nein. Das Aufkommen der Steuer soll wieder zurück an die Bürger fließen. Und an die Wirtschaft, durch eine Senkung der zu hohen Lohnnebenkosten.

Strom würde jedenfalls wieder teurer. Die Industrie sagt: Wenn wir das allein machen, sind wir nicht mehr wettbewerbsfähig.

Die Schweden machen das schon seit zehn Jahren im Alleingang, und es geht ihnen wirtschaftlich besser als uns. Es funktioniert also, man muss sich nur trauen. Politik ohne Mut erzeugt Unmut. Der Anteil der Energie an den Kosten der Industrie ist im Schnitt 2,5 Prozent. Wenn sie um zehn bis 20 Prozent teurer wird, wäre das verkraftbar.

Für wichtige Großverbraucher wie die Voest oder die Amag wohl kaum...

Diese Unternehmen wissen genau, wo die Zukunft liegt. Die Amag verdient mit umweltfreundlichen Leichtbaustoffen. Für Voest-Chef Eder geht der Trend zur kohlefreien Stahlerzeugung. Bis 2050 wird man Stahl auf Sauerstoffbasis erzeugen. Das ist der Grund, warum die Voest keine traditionellen Investitionen mehr in Österreich macht. Heute schon agiert sie in einer hoch spezialisierten Nische. Ihr größter Abnehmer ist die Autoindustrie. Sie wird auf Umweltstahl umstellen, was kostenmäßig gar keinen großen Unterschied macht. Da steckt noch Entwicklungsarbeit dahinter, aber das kommt.

Da wir in die Zukunft schauen: Wo liegt das größte Potenzial unter den Erneuerbaren?

Nicht so sehr bei der Windenergie, da ist die Technologie schon ziemlich ausgereift. Aber bei der Fotovoltaik. Vor allem neue Kristalle machen sie immer effizienter und günstiger.

Die Deutschen bauen aufwendige Offshore-Windanlagen an der Nordsee, von denen man den Strom weit in den Süden transportieren muss. Setzen sie aufs falsche Pferd?

Nein, Fotovoltaik allein wird nie reichen. In Städten wie Wien haben wir gar nicht genug Dächer für Solarpaneele. Es muss immer eine Kombination mit Wasser- und Windkraft sein.

Auch gegen Windräder regt sich Widerstand von Anrainern, vor allem in Bayern.

Die Kritik an Windrädern ist die Kritik des Ertrinkenden an der Farbe des Rettungsrings.

Zu den Solaranlagen: Sind so sonnenarme Länder wie Österreich und Deutschland dafür nicht denkbar schlechte Standorte?

Sicher, Zwettl ist nicht Tunis. Aber darum geht es gar nicht, weil Energie künftig extrem billig sein wird.

Die Erneuerbaren zwingen zum Netzausbau. Wind und Sonnenschein fallen ungleichmäßig an, man braucht neue Pumpspeicherkraftwerke. Und man muss Gasmeiler subventionieren, damit sie unrentabel weiterlaufen und ein Blackout verhindern. Warum sollte Strom da viel billiger werden?

Fossile Kraftwerke zum Ausgleich brauchen wir noch zehn bis 15 Jahre. Dann können wir uns stärker dezentral mit Strom versorgen, mit lokalen Ausgleichsnetzen. Deshalb sagen manche Experten: Wenn wir heute groß in den Netzausbau quer durchs Land investieren, sind das die gestrandeten Kosten von morgen. Der künftige Standard bei Einfamilienhäusern ist: ein Solarpaneel auf dem Dach, ein Batteriespeicher im Keller. Der Eigenbedarf ist dabei 50 bis 70 Prozent. Den Rest kann der Haushalt einem Stromversorger zum Ausgleich zur Verfügung stellen.

Das soll reichen, um große Strommengen für die Industrie parat zu haben?

Auch bei Speichertechnologien gibt es neue Möglichkeiten. Zum Beispiel: die Batterien für Elektroautos. Man wird sie austauschen, wenn eine neue Generation eine größere Reichweite bietet. Aber die alten Batterien behalten ihren Wert. Man kann sie zusammenschließen, zu Großspeichern mit einer gewaltigen Kapazität, für die Ausgleichsenergie, die dann in Millisekunden verfügbar ist. Das ist für Daimler ein Geschäftsmodell der Zukunft.

Dazu müssten zuerst viele Menschen Elektroautos kaufen. Danach sieht es nicht aus.

Ich habe einen Wagen mit E-Antrieb und weiß: Er ist schon heute günstiger als ein Verbrenner, wenn man alles einrechnet. Der Kraftstoff ist viel billiger. Das Auto braucht viel weniger Wartung. Freilich bricht so die Branche der Werkstätten zusammen, die heute auch Verkaufsstellen sind. Künftig wird man sein E-Auto im Internet kaufen. Die wesentliche Wertschöpfung daran ist die Batterie, und sie erzeugen andere, nicht die Autobauer. Wenn dann noch der Wagen von selbst fährt, ist er kein Kultobjekt mehr. Das alles ist ein Horror für die großen Hersteller. Deshalb stehen sie auf der Bremse.

Eben: Der E-Antrieb setzt sich nicht durch.

Doch, schon bis 2020. Der VW-Skandal war ein Geschenk des Himmels. Jetzt gibt es kein Zurück mehr, die Barrieren sind durchbrochen. Die deutschen Autobauer waren immer Technologieführer. Sie wissen: Sie müssen jetzt Gas geben, sonst fahren ihnen Google, Apple und die Japaner davon. In vier Jahren haben E-Autos eine Reichweite von 400 bis 500 Kilometern. Die Zahl der Ladestellen in der Stadt steigt. Und die Kosten der Batterien sinken.

Sie sind ja sehr optimistisch. Die Aktionäre der Ölkonzerne sehen die Welt anders: Sie investieren weiter in fossile Energie.

Schauen Sie sich die Munich Re an: Der weltgrößte Rückversicherer rechnet den Klimawandel bei seinen Prämien längst ein. Gewisse Risken wie Hochwasser werden oft nicht mehr versichert. Stimmt: Die Investoren und Analysten bleiben vorerst auf dem Ölmarkt. Dort geht es um Hunderte Milliarden. Bei einem niedrigen Ölpreis haben Aktionäre tolle Einstiegschancen. Man kann in der kurzen Frist noch viel verdienen. Aber die Tendenz für die Branche geht eindeutig nach unten.

Auch für die OMV?

Selbst wenn die OMV den Umstieg schafft, wird sie auf jeden Fall viel kleiner sein als heute. Für den Eigentümer Staat gibt es einen klaren Interessenkonflikt: Die Regierung will bis 2050 aus den fossilen Energien raus. Aber sie braucht die Dividenden der OMV – und plant für sie kein Ausstiegsszenario.

Was sagen Sie Leuten, die nicht an den Klimawandel glauben?

Es ist absurd, sich gegen die Überzeugung von 97Prozent aller Wissenschaftler zu stellen. Wir klagen bei uns über das Hypo-Debakel. Aber im Vergleich zu unserem Schaden aus dem Klimawandel werden die Hypo-Kosten im Rückblick aussehen wie das Leithagebirge neben dem Himalaya.

Steckbrief

Peter Püspök (69) ist seit einem Jahr Präsident des
Dachverbands Erneuerbare Energie Österreich.

Als Banker brachte es Püspök bis zum Generaldirektor der Raiffeisen-Landesbank Niederösterreich/Wien. 2007 ging er in Pension.

Danach blieb er aber weiter aktiv: als Vizechef im Aufsichtsrat der Verbund AG, als Finanzreferent der ÖVP und beim Mikrokreditfinanzierer Oikokredit.

Mit der Leidenschaftfür erneuerbare Energien hat ihn sein sein Bruder Paul angesteckt, der im Seewinkel das zweitgrößte Windkraftunternehmen des Landes aufgebaut hat. Heute führt es Peter Püspöks Sohn Lukas.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2016)

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