Handelsflächen: Wer A sagt, kann auch B sagen

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Während sich internationale Filialisten in erster Linie auf Prime-Lagen stürzen, fristen B-Lagen zunehmend ein Schattendasein. Zu Unrecht, meinen Experten, und präsentieren einige gewichtige Argumente.

Liest man die jüngsten Marktanalysen zu den Handelsflächen, bekommt man schnell den Eindruck, nur A-Lagen wäre eine rosige Zukunft beschieden. „Diese erfahren einen weiteren Nachfrageschub, B-Lagen werden tendenziell links liegen gelassen und kommen preislich stärker unter Druck“, weiß etwa Hannes Lindner, geschäftsführender Gesellschafter bei der Beratungsgesellschaft Standort + Markt.

Aber selbst wenn das stimmen sollte – vergessen wird dabei oft, dass sich eine Stadt großteils aus Gebieten zusammensetzt, die gemeinhin als B-Lagen oder darunter bezeichnet werden. Oder wie es Hans Jörg Ulreich vom gleichnamigen Bauträger ausdrückt: „Das ist nun einmal das Gesicht einer Stadt. Die B-Lagen sind jene, in denen wir alle leben. Und hier sollte Handel auch stattfinden.“

Auch Lindner sieht in einer B-Lage per se nicht nur Nachteile: „Bei Shoppingcentern bieten sich durchaus Möglichkeiten, sich die Lage selbst zu machen – mit Kerndeterminanten wie Angebotsumfang, Mieterattraktivität, Ambiente und Erreichbarkeit.“ Selbst kleinere Zentren, die oft der B-Kategorie zugerechnet werden, müssten nicht unbedingt von Misserfolg geprägt sein: „Diese können sehr wohl als nahversorgende Zentren mit einem Mix aus Super- oder Drogeriemarkt, Textildiskont, verschiedenen Dienstleistungen und Gastronomie erfolgreich reüssieren“, führt er aus.

Deutlich günstigere Mietpreise

Hinzu kommt, dass B-Lagen einkaufstechnisch durchaus auch spannender sein können als A-Lagen, wie sich aus der Standort + Markt-Analyse „City Retail Österreich“ ergibt. Bei den bei internationalen Einzelhändlern so begehrten Standorten in den großen Geschäftsstraßen liegt der Filialisierungsgrad laut diesem Report mittlerweile nämlich bei über 54 Prozent. Das heißt, dass jeder zweite Verkaufsquadratmeter zu einer Kette gehört. Wo immer Mann oder Frau hier also einkaufen gehen, sie treffen auf immer die gleichen Geschäfte.

Im Gegensatz dazu können B-Lagen Individualität und Leben bieten. Die potenzielle Vielfalt von B-Lagen ergibt sich schon alleine dadurch, dass die Mietpreise in der Regel – im Schnitt der österreichischen Innenstädte betrachtet – „lediglich rund ein Drittel des Preises von A-Lagen ausmachen“, so Lindner. Dadurch werden sie für die unterschiedlichsten Mieter leistbar. Dass sie in der Praxis dennoch oft einen „mäßig spannenden“ Branchenmix aufweisen, wird meist mit Lagedefiziten, einem nicht geschlossenen Geschäftsbesatz und einer daraus resultierenden niedrigen Passantenfrequenz begründet.

Während sie für weltumspannende Konzerne dadurch an Attraktivität verlieren, könne solche Standorte aber durchaus von Anbietern genutzt werden, die aufgrund ihrer höheren Spezialisierung Abstriche machen könnten, meint Lindner: „Infrage kommen etwa Nischenanbieter im Einzelhandel, Gastronomie- oder Dienstleistungsbetriebe, die imstande sind, eigenständig Frequenz zu generieren.“

Barrierefreie Chancen

Aber auch für Branchen, an die man vorderhand nicht gleich denkt, könnten sich neue Möglichkeiten bieten, meint etwa der Gerichtssachverständige und Immobilienexperte Markus Reithofer. „Geschäftslokale in B-Lagen können zum Beispiel für Ärzte interessant sein, da sehr viele dieser Immobilien barrierefrei sind.“ Der Hintergrund: Arztpraxen müss(t)en laut Gesetz spätestens seit Jahresbeginn barrierefrei erreichbar sein. Unabhängig davon würden sich B-Lagen auch für andere Dienstleister oder als Storage-Kapazitäten für A-Lagen eignen, betont der Experte.

Der Haken an der Sache liegt allerdings oftmals auf dem Weg zur Betriebsanlagengenehmigung, „Aus Angst vor einer möglichen Lärmbelästigung gab es eine Diskussion, ab wann und unter welchen Rahmenbedingungen es den Bewohnern zumutbar ist, dass im Verkaufslokal angeliefert wird“, nennt Reithofer das Beispiel einer Backwarenkette, die ein Geschäftslokal eröffnen wollte. Der Witz daran: Das Geschäft lag gegenüber einer Straßenbahnremise. Es wurde aber letztendlich eine tragbare Lösung gefunden.

Pflänzchen auf „verbrannter Erde“

Unter bestimmten Voraussetzungen böten selbst schlecht frequentierte B-Lagen einiges Potenzial, bestätigt auch Lindner: „Sollten Standortparameter wie Flächenverfügbarkeit, Erreichbarkeit oder Parkmöglichkeiten in B-Lagen grundsätzlich günstig sein, könnte bei gezielter Betriebsansiedlung auf vormals ,verbrannter Erde‘ doch wieder ein Pflänzchen wachsen“, betont er. Dabei wäre auch die in der Regel geringere Flächengröße einzelner Lokale kein prinzipielles Hindernis, assistiert Ulreich. „Man könnte etwa Überlegungen folgen, mehrere Flächen zusammenzulegen und so die benötigten größeren Verkaufsräume für den Einzelhandel schaffen.“ Auf den Punkt bringt es schließlich Reithofer: „Letztendlich ist es egal, ob A- oder B-Lage. Eine Straße muss belebt und interessant sein. Sie muss Vielfalt und Attraktivität bieten.“

INFO

A-Lagen sind gesucht und bekommen – vom Handel wie den Kunden – die größte Aufmerksamkeit. Vergessen wird dabei, dass sich der überwiegende Großteil der städtischen Verkaufsflächen tatsächlich in sogenannten B-Lagen findet. Für viele prägen daher letztlich sie das Gesicht einer Stadt. B-Lagen sind nicht per se benachteiligt: Zum einen sind die Mieten wesentlich günstiger als in A-Lagen, zum anderen bieten sie viel Platz für spezialisierte Dienstleister, die eigenständig Frequenz generieren können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2016)

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