Die Angst vor der Anstellung

BERICHT. AMS-Trainer protestieren gegen „Zwangsanstellungen“ und für die freie Wahl.

Wien (nst). Demonstration? Davon ist am Montag um halb zwölf Uhr mittags vor der Zentrale der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) im dritten Wiener Gemeindebezirk noch nicht viel zu sehen. Nur ein paar Demonstranten haben sich in einem nahe gelegenen Kaffeehaus versammelt, um zu warten. Darauf, dass es endlich losgeht. Kurz vor zwölf formiert sich dann doch eine Menschenmenge. Es sind die AMS-Trainer, geschätzte hundert, die an diesem Tag gegen die Gewerkschaft, gegen Kollektivverträge und „Zwangsanstellungen“ protestieren.

Für die GPA ist so ein Vorgehen eher ungewöhnlich – so etwas habe man noch nie erlebt, heißt es dazu aus der Gewerkschaft. Die Gewerkschaft drängt auf einen Kollektivvertrag für die gesamte Branche – gegen den Willen der Trainer, die im Arbeitsmarktservice Schulungen abhalten. Schätzungen zufolge sind rund 30.000 Personen im AMS-nahen Bereich davon betroffen.

Deutlich weniger Einkommen?

Die Trainer arbeiten in privaten Schulungsinstituten – und einige von ihnen wollen bzw. haben ihre Mitarbeiter über sogenannte „Babe“-Verträge fix angestellt. Der Begriff steht für „Berufsvereinigung der Arbeitgeber privater Bildungseinrichtungen“. Diese Verträge würden aber gegenüber den bisher gültigen Tarifen Einkommenseinbußen von bis zu 47 Prozent bedeuten, kritisiert Christian Christiansen vom Trainerverband VÖBAT, der die Kundgebung organisiert hat. Viele Institute würden ihre Mitarbeiter in diese Verträge drängen. Derzeit bekommen die meisten Mitarbeiter ihre Leistungen pro Stunde abgegolten.

Inmitten von Plakaten mit der Aufschrift „Babe ist gleich Hungerlohn“ oder „Babe ist gleich Konkurs“ steht die 56-jährige Christine Kaufmann. Die AMS-Trainerin hält nicht viel vom neuen Kollektivvertrag. „Ich bin lange und aus Überzeugung Freiberuflerin“, sagt sie. Eine Anstellung würde ihrem Lebenskonzept widersprechen, ihre Beweglichkeit einschränken. Sie wolle weiterhin die Wahlfreiheit zwischen Anstellung und freiberuflicher Tätigkeit haben. Zudem müsste sie Gehaltseinbußen in Kauf nehmen. Derzeit verdiene sie immerhin 32 Euro brutto pro Stunde – weit mehr als andere.

So viel wie Kaufmann verdient der 46-jährige Markus, der seinen Nachnamen für sich behalten will, nicht. Er muss sich mit einem Stundensatz von 21 Euro begnügen. Seit sieben Jahren ist er für zwei verschiedene Institute tätig. Mit einem Kollektivvertrag würde es ihm nicht besser gehen: „Da müsste ich 38 Stunden die Woche arbeiten. Da kann man nicht mehr sinnvoll unterrichten“, sagt er. Bis zu 28 Stunden steht er derzeit für Kurse zur Verfügung.

Gerhard Vierthaler hat früher in einem anderen Job oft 160 Stunden im Monat gearbeitet, teilweise um ein Vielfaches verdient, „doch so anstrengend wie dieser Job ist, war es früher nie.“ Sogar Supervision gäbe es keine mehr. „Man ist sich selbst überlassen.“

Die Ausschreibung der Schulungen durch das AMS habe zu Dumpingpreisen in der Branche geführt. Vierthaler wünscht sich daher, dass das AMS Mindesthonorarsätze vorschreibt. Das sei auch im Interesse des AMS. Noch im Juli soll ein Stundensatz von 30,9 Euro beschlossen werden.

Verwunderung in der GPA

Aufseiten der GPA hat man für die Demonstration nur bedingt Verständnis. Ein paar Mitglieder der GPA haben sich auf der höhergelegenen Terrasse neben dem Haupteingang positioniert, um das Geschehen zu beobachten.

Claudia Kral-Bast, Geschäftsleiterin des Bereichs Interessenvertretung, ist eine von ihnen: „Ich habe nicht ganz verstanden, worauf die Demo abzielt. Dass die Kollegen glauben, ohne KV mehr zu verdienen ist eine Frage der Betrachtung.“ Mindeststandards, wie sie ein Kollektivvertrag festsetzt, würden niemanden daran hindern, mehr zu bezahlen. Aber wer macht das schon?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2009)

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