Zinsen: "Jetzt ist die Politik am Zug"

Meinhard Platzer: „Mit Negativzinsen kann man die Stimmung nicht drehen“.
Meinhard Platzer: „Mit Negativzinsen kann man die Stimmung nicht drehen“.(c) LGT
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Meinhard Platzer, Österreich-Chef der liechtensteinischen LGT Bank, glaubt, dass Nullzinsen für einen Stimmungsumschwung nicht reichen. Es brauche auch politische Reformen.

Die Presse:Die EZB beschließt jetzt wahrscheinlich eine weitere geldpolitische Lockerung, obwohl die Wirkung bisher überschaubar geblieben ist. Ist die Notenbank mit ihrem Latein am Ende?

Meinhard Platzer: Die Notenbank kann die bisherigen Maßnahmen verstärken. Das Problem ist aber, dass die Stimmung auf dem Markt negativ ist und eine weitere Ausweitung der Geldmenge wahrscheinlich keinen Stimmungswechsel, sprich Euphorie, erzeugen wird.

Wie weit kann man bei den Zinsen gehen?

Die Schweiz steht jetzt bei minus 0,75 Prozent. Es gibt Spielraum. Wenn die EZB zu weit geht, kann das aber dazu führen, dass die Sparer ihr Geld von der Bank abheben, in den Tresor legen und es damit dem Bankenkreislauf entziehen. Da könnten sich die Investoren fragen, ob die Lage wirklich schon so katastrophal ist. Und wenn diese Maßnahmen auch nicht wirken, gäbe es noch die Möglichkeit des „Helicopter Money“. Ich glaube aber nicht, dass es so weit kommt.

In den USA hat der erste kleine Erhöhungsschritt um 0,25 Prozent schon zu Erschütterungen an den Märkten geführt.

Die Amerikaner haben mit der Zinsanhebung relativ lang gewartet. Diese ist dann mit dem Problem China zusammengefallen, und dies hat die Märkte stark bewegt. Hätten sie das ein halbes Jahr früher gemacht, wäre es besser gewesen. Für die Realwirtschaft und deren Investitionsfreudigkeit macht es ja so gut wie keinen Unterschied, ob der Leitzins bei 0,25 oder bei 0,5 Prozent liegt.

Groß ist der Spielraum, den Notenbanken haben, jetzt also nicht – wie man sieht.

Die Notenbanken haben schon sehr viel gemacht, der gewünschte Effekt einer höheren Inflation ist aber noch nicht eingetreten. Jetzt wäre auch die Politik am Zug, sie hat ja noch gar nichts unternommen, außer die Schulden zu erhöhen. Strukturreformen, Steuersenkung und nachhaltige Investitionsprogramme – das könnte uns jetzt weiterbringen.

Was heißt dieses Umfeld jetzt für Anleger? Das Jahr hat ja nicht sehr freundlich begonnen.

So einen schlechten Start wie 2016 haben wir seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Da ist viel zusammengekommen: China, die Zinserhöhung in den USA, der Preisverfall bei den Rohstoffen. Viele haben auch noch eine Rezession in den USA befürchtet. Wir gehen nicht davon aus, dass wir in eine Rezession verfallen.

Sie sind optimistisch?

Unser Grundszenario haben wir bisher nicht geändert: Wir erwarten moderates Wachstum in Europa und den USA. Wir haben deshalb europäische Aktien übergewichtet und Anleihen untergewichtet. Und wir setzen auf Investitionen, die nicht unbedingt mit den Märkten korrelieren. Etwa versicherungsbasierte Anleihen. Damit nehmen wir Risiko aus dem Portfolio.

Glauben Sie, dass die Aktienmärkte den Boden schon erreicht haben?

Den Einstieg auf dem Tiefpunkt wird man kaum erwischen, aber für langfristige Anleger gibt es Gelegenheiten auf dem Aktienmarkt. Bei Staatsanleihen hingegen wird die Luft sehr dünn. Auf mittlere Sicht ist das Aktienrisiko relativ gesehen wahrscheinlich geringer als jenes der Anleihen. Unser Basisszenario geht davon aus, dass die wirtschaftliche Erholung weitergeht, das heißt, die USA nicht in die Rezession fallen, und dass der Rückschlag in China milder als erwartet ausfällt. Die realwirtschaftlichen Faktoren sind besser als die Stimmung.

ZUR PERSON

Meinhard Platzer (48), gebürtiger Südtiroler, ist Co-CEO der auf Vermögensverwaltung spezialisierten LGT Bank Österreich, der Österreich-Tochter der in Familienbesitz stehenden liechtensteinischen „Fürstenbank“ LGT.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2016)

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