dm-Chef Bauer: "Kunden haben in Apotheken keinen Überblick"

(c) Andreas Kolarik (Kolarik Andreas)
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Wenn die Kunden von sich aus keine Generika nachfragen, werden ihnen diese auch nicht angeboten, so Harald Bauer. Das Argument Beratung nehmen Kunden großteils als Scheinargument wahr.

dm hat am 29. Februar einen Individualantrag beim Verfassungsgerichtshof eingebracht, um rezeptfreie Medikamente verkaufen zu dürfen. Die Drogeriekette will Medikamente deutlich billiger anbieten als in Apotheken. Daraufhin hatte der Präsident der Österreichischen Apothekerkammer, Max Wellan, "vehement" vor einem Verkauf von Arzneimitteln außerhalb von Apotheken gewarnt. Die Kammer sieht eine Wettbewerbsverzerrung und aufgrund fehlender Beratung eine mögliche Gefahr für die Gesundheit. Auch für die Versorgung wäre eine Marktöffnung "langfristig ein Problem".

Nun sagte dm-Geschäftsführer Harald Bauer, die Apothekerkammer solle bei ihrer Kritik an den Plänen von dm die Kirche im Dorf lassen. "Konsumenten haben in den Apotheken keinen Überblick über die Produkte am Markt. Sie werden in diese Richtung auch nicht beraten. Wenn die Kunden von sich aus keine Generika nachfragen, werden ihnen diese auch nicht angeboten und es wird kein Druck auf die Marken aufgebaut - weder beim Preis, noch bei der Innovation. Wir wollen dieses System durchbrechen", betonte Bauer. Konsumenten könnten sich von mehr Wettbewerb substanzielle Preissenkungen erwarten.

Beratung ein Scheinargument

Zentrale Argumente der Apothekerkammer - Beratung und Schutz vor Missbrauch - stellte er dabei in Zweifel. Auch Apotheken könnten nicht kontrollieren, für wen ein Produkt gekauft wird, wer es einnimmt und ob es nicht zu lange, zu kurz, in zu hoher oder zu geringer Dosis, nicht nach der Verfallsfrist und nicht gemeinsam mit kontraindizierten Arzneimitteln eingenommen wird. "Das Argument Beratung wird von der großen Mehrheit der Bevölkerung als Scheinargument wahrgenommen. Das weiß jeder aus eigener Erfahrung." Von dm durchgeführte Testkäufe in Apotheken und im Internet seien vielleicht statistisch nicht repräsentativ, hätten aber gezeigt, dass in keinem einzigen Fall nachgefragt wurde.

Seit Juni 2015 ist in Österreich der Online-Versand von Arzneimittel durch Apotheken legal. "Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist das Argument Arzneimittelsicherheit für die Rechtfertigung des Monopols nicht mehr haltbar." Eine fakultative pharmazeutische Beratung auf Nachfrage, zu der Internet-Apotheken verpflichtet sind, könne dm in gleicher Qualität bieten, etwa per E-Mail oder Telefon. "Wir haben jetzt bereits Anfragen von Pharmazeuten, die mit uns in diesem Vorhaben zusammenarbeiten wollen."

Nur acht Prozent des Apothekenumsatzes

Seit Juni 2015 ist in Österreich der Online-Versand von Arzneimittel durch Apotheken legal. "Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist das Argument Arzneimittelsicherheit für die Rechtfertigung des Monopols nicht mehr haltbar."

Auch wirtschaftliche Sorgen der Apotheken will dm nicht gelten lassen und stützt sich auf ein Gutachten des Wiener Verfassungsrechtlers Heinz Mayer. Dieser kommt zu dem Schluss, dass rund acht Prozent des Gesamtumsatzes der Apotheken auf nicht rezeptpflichtige Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG) zurückfallen. "Allfällige Umsatzeinbußen im Falle einer Marktöffnung für Drogisten würden sich in Bezug zum Gesamtumsatz nur marginal auswirken", betonte Bauer.

Auch Ängste um Versorgungsengpässe in ländlichen Regionen kann Bauer nicht nachvollziehen. "dm-Filialen gibt es erst dort, wo sich 15.000 Menschen im Einzugsgebiet befinden. Kleine Apotheken werden viel eher durch Online-Apotheken gefährdet".

(APA)

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