Konjunktur: Felderer sieht EZB im Eck

Bernhard Felderer.
Bernhard Felderer.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Österreichs Staatsschuldenwächter glaubt nicht an die Heilkraft der Nullzinspolitik und fordert Steuererleichterungen für KMU.

Wien. „Wir sind in einem japanischen Szenario, in dem wir nicht mehr wissen, was wir tun sollen“, zeichnet Bernhard Felderer ein dunkles Bild von der Lage auf Europas Finanzmärkten. Der Präsident des österreichischen Fiskalrats ist überzeugt: Die strauchelnde Konjunktur ist ähnlich wie in Japan nicht mehr mit Fiskal- oder Geldpolitik zu retten. Das wisse auch der „arme Kerl in Frankfurt“, wie Felderer EZB-Chef Mario Draghi zurzeit nennt. Zu beneiden sei dieser nicht. Denn die Aufstockung der monatlich von der Notenbank aufgekauften Anleihen von 60 auf 80 Milliarden Euro werde, so die Prognose des Ökonomen, als „reine Paniklösung“ genauso wenig bringen wie der von Frankfurt verordnete Nullzinssatz.

Eine fiskalpolitische Einbahnstraße ortet Felderer in Europa, die investitionsbelebenden Maßnahmen griffen nicht bei den richtigen Adressaten. Unter diesen versteht er hierzulande die Klein- und Mittelbetriebe, die 99,6 Prozent – oder in konkreten Zahlen 313.600 – der österreichischen Unternehmen ausmachen und aus der jüngsten Steuerreform mehr Schaden als Nutzen davongetragen hätten.

„Scheinbar gibt es keine wirtschaftspolitischen Lösungen mehr, als nach dem Unsinn Umverteilung zu schreien“, kritisiert der Fiskalratschef. Es brauche im Finanzministerium endlich die Einsicht, dass Steuern keine stimulierenden Anreize schaffen. 0,4 Prozent Investitionssteigerungen verzeichnete die Statistik Austria für 2015 – „und die Regierung spricht dennoch nicht von einer Entlastung bei den Lohnnebenkosten“, sagt Felderer.

Mit seinem Ruf nach Steuererleichterungen für Österreichs Wirtschaftstreibende erntet er Applaus bei jenen, denen die Zukunft der heimischen Klein- und Mittelbetriebe vor allem am Herzen liegt – ihren großen Geschäftspartnern, den Versicherungs-, Technologie- und Finanzdienstleistern, die bange auf die stagnierende Investitionstätigkeit ihrer Großkunden schielen.

Unternehmerische Selbsthilfe

Da weder Wirtschaftskammer noch Ministerium Schritte zur Förderung der heimischen Investitionen angegangen seien, erklärt Georg Kolm, einer der Mitgründer des Projekts Zukunftsoffensive, habe man sich aus der Privatwirtschaft heraus selbst organisiert. Sein Marketingunternehmen Triple-A bietet seit Donnerstag gemeinsam mit drei weiteren Firmen Dienstleistungspakete im B2B-Bereich an. Die Kunden sollen dabei mittels Unternehmensanalysen zu Strategiemaßnahmen, Kreditaufnahmen oder technischen Aufrüstungen motiviert werden.

Steuererleichterungen wie von Felderer gefordert sehen anders aus. Dennoch ist man von der belebenden Wirkung überzeugt: Allein der Synergieeffekt aus der gemeinsamen Betreuung könnte, so die Organisatoren, in wenigen Jahren 0,1 Prozent zu Österreichs BIP-Wachstum beitragen.

ZUR PERSON

Bernhard Felderer, Wirtschaftsforscher und Präsident des österreichischen Fiskalrates, sieht die Antwort auf das Problem der langfristigen Wachstumsschwäche Europas nicht in der Geld- und Fiskalpolitik der Europäischen Zentralbank. Er fordert Strukturreformen, die die privaten Investitionen in Österreich wiederbeleben sollen – etwa durch steuerliche Anreize und Senkung der Lohnnebenkosten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.