Konsum: Handel beharrt auf Ablaufdatum

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Im SupermarktErwin Wodicka - BilderBox.com
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Jeder EU-Bürger wirft pro Jahr 123 Kilo Lebensmittel in den Müll. Doch abgelaufen heißt nicht verschimmelt. Während die Politik das Ablaufdatum kippen will, hält der Handel daran fest.

Wien. „Das ist ein kompletter Blödsinn“, sagt Peter Buchmüller. Buchmüller ist Obmann der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer und meint damit die Diskussion über das Mindesthaltbarkeitsdatum von Lebensmitteln. Der deutsche Agrarminister Christian Schmidt will eine rasche Abschaffung des Haltbarkeitsdatums auf allen Lebensmittelverpackungen, wie er zur Funke-Mediengruppe sagte. Stattdessen solle ein „echtes Verfallsdatum“ angebracht werden. Ein Vorschlag, der auch bei seinem österreichischen Pendant, Andrä Rupprechter, (ÖVP) auf Zustimmung stößt.

Aber nicht beim Handel. Derzeit habe man die Möglichkeit, abgelaufene Ware billiger zu verkaufen oder zu verschenken. Das wäre dann nicht mehr möglich, argumentiert Buchmüller. Man müsste die Lebensmittel sofort entsorgen. „Das würde die Verschwendung nur fördern.“ Die Rewe-Gruppe (Billa, Merkur, Penny) wollte sich dazu nicht äußern und verwies an die Handelssparte in der Kammer.

Die Diskussion um das Ablaufdatum ist schon länger im Gange. Viele Lebensmittel landen automatisch im Müll, wenn sie dieses erreicht haben. Dabei handelt es sich lediglich um ein Mindesthaltbarkeitsdatum. Es gibt an, bis zu welchem Zeitpunkt der Hersteller die optimale Qualität des Produktes gegeben sieht. Ob er es darüber hinaus verwendet, muss der Konsument selbst entscheiden.

Salz und Öl ausgenommen

Bereits jetzt muss auf den Verpackungen einiger Lebensmittel kein Haltbarkeitsdatum angebracht werden: Obst und Gemüse, Backwaren, Essig, Salz, Zucker, Öl und Kaugummi fallen etwa darunter sowie Getränke mit mehr als zehn Prozent Alkoholgehalt. Manche Hersteller bringen freiwillig ein Datum an. Sensible Lebensmittel wie Fleisch oder Fisch sind in der Regel mit einem Verbrauchsdatum versehen.

Auf EU-Ebene wird darüber diskutiert, die Liste der Ausnahmen zu erweitern, etwa um besonders lang haltbare Lebensmittel wie Nudeln, Reis oder Kaffee. Ein entsprechender Vorschlag Schwedens und der Niederlande wird auch von Österreich unterstützt. Damit soll die Verschwendung von Lebensmitteln eingedämmt werden. Laut einer Studie des Joint Research Centre, einer Ideenschmiede der EU-Kommission, wirft jeder EU-Bürger 123 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg, davon könnten 80 Prozent noch problemlos konsumiert werden.

Die Verschwendung eindämmen will auch Landwirtschaftsminister Rupprechter. Daher sehe man auch beim Thema Mindesthaltbarkeitsdatum „Handlungsbedarf“, wie eine Sprecherin am Freitag sagte. Zuständig für die Lebensmittelkennzeichnung ist hierzulande aber das Gesundheitsministerium. Lebensmittelabfall gehöre auf jeden Fall vermieden, hieß es dort am Freitag zur „Presse“. Es sei aber immer eine Abwägungssache. Keinesfalls dürfe der Konsument zu Schaden kommen.

Bis zum EU-Beitritt im Jahr 1995 war auf vielen Lebensmitteln lediglich das Herstellungsdatum angebracht, nur manche Produktgruppen mussten mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen sein. Seit 1995 gilt hierzulande aber wie in allen EU-Ländern die Pflicht zur Angabe der Mindesthaltbarkeit, außer in den genannten Ausnahmefällen.

„Konsumenten überfordert“

Verbraucherschützer sehen die Diskussion über die Abschaffung des Mindesthaltbarkeitsdatums kritisch. „Da würde man die Konsumenten überfordern“, sagt Heinz Schöffl von der Arbeiterkammer zur „Presse“. Bei einigen, trockenen, Lebensmitteln könne man darüber reden. „Aber einen Schinken kann man ohne eine Information, wie lange der Hersteller ihn für genusstauglich befindet, nicht verkaufen“, sagt Schöffl.

Durch die Abschaffung des Haltbarkeitsdatums werde die Verschwendung von Lebensmitteln nicht eingedämmt, sagt Schöffl. Weggeworfen würden nämlich vor allem Produkte mit sehr kurzer Haltbarkeit wie Fleisch, Obst und Gemüse. Und nicht langlebige wie Chips oder Reis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2016)

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