Osterhandel: Den Emotionen sei Dank

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Weit abgeschlagen hinter Weihnachten und doch auf dem zweiten Platz der jährlichen Festtagsumsätze lässt sich das Ostergeschäft in Umfang und Bedeutung schwer fassen. Ein Versuch.

Wien. Den Osterhasen gibt es nicht. Darüber sind sich wohl alle Händler einig. Die Existenz des Ostereffekts, der jeden Frühling wieder durch die Medien geistert, wollen aber die wenigsten in Abrede stellen. Das Ostergeschäft hätte dem Einzelhandel erneut Umsatzrekorde beschert, konnte man auch dieses Jahr lesen. Doch wie viel von dem österlichen Konsumphänomen ist tatsächlich belegbar? Und wie viel eine sich selbst erfüllende Prophezeiung des Handels, der die Kunden Taten – sprich Einkäufe – folgen lassen?

Vorab sei angemerkt: Das, was landläufig als Ostergeschäft bezeichnet wird, ist eine zwangsläufig diffuse Größe. Denn die gut 200 Millionen Euro Umsatz, die heuer erwartet werden, beruhen rein auf Marktumfragen und Schätzwerten. „Das ist nicht vergleichbar mit der statistischen Erhebung des Weihnachtsgeschäfts“, sagt Roman Seeliger, stellvertretender Geschäftsführer der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer. Einmal im Jahr leiste sich die Kammer den Luxus, den ertragreichsten Festtag des Jahres zu durchleuchten. Die zu Weihnachten 2014 erhobenen 1,617 Milliarden Euro Bruttoumsatz haben eine dementsprechend stärkere Aussagekraft. Dennoch besteht Seeliger darauf: „Ostern hat im Lauf der Jahre – wenn auch mit großem Abstand zu Weihnachten – immer die Silbermedaille geholt.“

Ursache und Wirkung

Doch was ist dieses Ostern? Bei den 50 Millionen Stück gefärbten Eiern, den 230 Tonnen Schaf- und Lammfleisch und den knapp 1000 Tonnen Geselchtem, die rund um die Feiertage im Lebensmittelhandel über die Theken wandern, kann man den Kausalzusammenhang relativ leicht herstellen. Die Branche gilt neben dem Tourismus als der klassische Profiteur des Fests. „Das zu Weihnachten angesagte kollektive Schenken war aber zu Ostern nie der Fall“, betont Marktforscher Andreas Kreutzer. Größere Frühlingsanschaffungen als Geschenke zu verbuchen, falle ihm schwer. „Es mag schon sein, dass es vor 50 Jahren Konsumspitzen gab, weil man den Rest des Jahres wegen mangelnder Kaufkraft gedarbt hat.“ Das sei aber längst nicht mehr der Fall. Auch am Beispiel des großen Bruders Weihnachten zeigt sich: Die Leuchtturmfunktion von Feiertagen nimmt beständig ab. Machte der Weihnachtsumsatz in den 1950ern zehn Prozent des Jahresgeschäfts im Einzelhandel aus, sind es heute nur rund drei Prozent.

Seeliger hat für Ostern eine gegenläufige Theorie parat: Bei diesem Fest verhalte es sich eben nicht wie mit Weihnachten, da man von einem viel geringeren Konsumniveau gestartet sei – der zunehmende Wohlstand hätte in den vergangenen Jahrzehnten dazu beigetragen, dass nicht mehr nur ein symbolisches Schokoei, sondern größere Spielzeuge wie etwa Fahrräder für die Kinder gekauft würden. Im Schnitt, so ergab eine Befragung des Handelsverbands, gibt heute jeder der rund vier Millionen schenkenden Österreicher 50 Euro aus. Das zeigt: Es wird zu Ostern konsumiert, es wird beschenkt, aber in Maßen.

Hania Bomba, Chefin des Marktforschungsinstituts Regioplan, bringt die Liebe der Händler zum Ostergeschäft auf den Punkt: „Die Konsumenten brauchen solche Feiertage nicht, um Geld auszugeben. Der Handel braucht sie als Grund für seine Werbung.“ Emotionen verkaufen sich. Mit ihnen sind Feiertage zur Genüge behaftet. Der Handel bekommt insofern Schützenhilfe von Tagen wie Ostern, als er den Mehrwert nicht erst kreieren muss, sondern den Kauf – trotz abnehmender Bedeutung der dahinterstehenden christlichen Festtage – problemlos mit den mitgelieferten Emotionen verbinden kann.

Initialzündung

Dieser Kaufanreiz ist es schließlich, den Shoppingcenterbetreiber wie Anton Cech in ihren Einkaufshallen und Börsen spüren. Der Leiter der Shopping City Süd ist ein großer Anhänger des Ostereffekts, der bei ihm in der Karwoche mit einer Frequenzsteigerung von 40 Prozent und einem Umsatzplus von rund 15 Prozent zu Buche schlage. Durch die Sprünge im Datum ließe er sich über die Jahre hinweg in den Monatsbilanzen der SCS gut nachverfolgen. Auch Cech sieht im Osterfest die emotionale „Initialzündung, den Liebsten etwas zu besorgen“. Einmal im Shoppingcenter bleibt es meist nicht bei dem Schokohasen.

Den positiven Effekten der Anfang des Jahres in Kraft getretenen Steuerreform messen die Experten übrigens noch keine allzu große Bedeutung für Ostern bei. Aus demselben Grund. Seeliger: „Solche Käufe sind immer von den Emotionen der Schenker getragen. Die sind von der Konjunktur und den Schwankungen des disponiblen Einkommens weitestgehend unabhängig.“

Vor diesem Hintergrund beginnt man langsam, die Liebe des Handels zum Auferstehungsfest zu begreifen.

IN ZAHLEN

Ostern. Der heuer vom Einzelhandel zu Ostern lukrierte Umsatz wird vom Handelsverband und der WKO auf etwas mehr als 200 Millionen Euro geschätzt. Die Profiteure sind traditionellerweise vor allem die Lebensmittel- und Spielzeugbranche.

Im Vergleich: Zu Weihnachten wird laut Erhebungen der KMU Forschung Austria mehr als das Achtfache – zuletzt 2014 1,617 Milliarden Euro – umgesetzt.

Ostern liegt laut den Zahlen des Handelsverbands noch vor anderen Festen wie dem Muttertag (116 Millionen Umsatz), dem Vatertag (114 Millionen) und dem Valentinstag (105 Millionen).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2016)

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