Die OMV holt Gazprom nach Europa

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Im Tausch gegen ein sibirisches Gasfeld bietet die OMV der russischen Gazprom Anteile an ihrer Produktion in der teuren Nordsee.

St. Petersburg. Donnerstagnacht in St. Petersburg. OMV-Chef Rainer Seele und Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) lassen sich an der Bar des Kempinski-Hotels nieder. Offiziell ist zur Causa prima, dem umstrittenen Tauschgeschäft zwischen Gazprom und der OMV, zu diesem Zeitpunkt noch nichts entschieden – so will es das Protokoll. Aber als sich nach ein, zwei Wodka auch Gazprom-Vize Alexander Medwedew nahtlos in die Runde einfügt, wird rasch klar: Viel kann hier nicht mehr anbrennen. Zwölf Stunden später ist es amtlich: Die OMV bietet der Gazprom im Gegenzug zum Viertelanteil an einem sibirischen Gasfeld eine Beteiligung an ihren Öl- und Gasfeldern in der Nordsee. Konkreter an den britischen und norwegischen Tochtergesellschaften der OMV.

Weder die viel diskutierte heimische Raffinerie noch das Gasnetz noch die Speicher seien damit Teil des Geschäfts, bestätigte Finanzminister Schelling: „Es war von Anfang an klar, dass das industriepolitisch nicht gewünscht ist“, sagte er. Die Zwischenrufe der SPÖ, die monatelang vor einem Ausverkauf der OMV gewarnt hatte, „hätte es dafür nicht gebraucht“.

Stattdessen soll die Gazprom nun in die Nordsee investieren. Die deutsche Wintershall, Rainer Seeles vorheriger Arbeitgeber, schloss erst vor kurzem einen ganz ähnlichen Deal mit der Gazprom, musste allerdings zu den Nordseefeldern noch Vermögensanteile drauflegen. Das ist im Fall der OMV nicht geplant. Auf den ersten Blick mutet der Tausch wie ein ungleiches Geschäft an. Der heimische Energiekonzern klagte zuletzt wiederholt über die hohen Produktionskosten und Investitionsverpflichtungen, die sich das Unternehmen mit dem 2,6-Milliarden Euro schweren Kauf der Nordseefelder eingebrockt hat. Investitionen, die das Unternehmen angesichts der stark gesunkenen Öl- und Gaspreise nur ungern alleine stemmen wird. Umgekehrt liegen die Produktionskosten im Feld Achimov IV und V, das die OMV zu einem knappen Viertel (24,98 Prozent) erhalten soll, sogar unter dem russischen Schnitt von zehn bis zwölf Dollar je Fass, betonte Johann Pleininger, der neue OMV-Vorstand für Förderung und Exploration. Kommt die Kooperation mit der Gazprom zustande, soll das die Explorationskosten der OMV in Summe um zwei Milliarden Euro drücken und die zuletzt schwindenden Reserven zumindest für fünf Jahre wieder auffüllen.

Warum aber zieht Gazprom dieses Geschäft ernsthaft in Betracht?

Darauf gibt es im Grunde drei Antworten. Erstens: Noch ist weder klar, welchen Anteil der sibirischen Rohstoffe die OMV zu niedrigen russischen Inlandspreisen an die Gazprom abgeben muss, noch welchen Anteil der russische Konzern an den Nordsee-Feldern fordert. Diese beiden Parameter entscheiden maßgeblich, ob der Deal ausgewogen ist, oder nicht. Zweitens: Die OMV fördert in der Nordsee vor allem Erdöl. Gazprom wiederum hängt stark von Erdgas ab. Der Einstieg könnte also ein willkommener Schritt in Richtung mehr Öl sein. Die beiden Unternehmen unterzeichneten auch einen Rahmenvertrag für die Lieferung beträchtlicher Mengen russischen Öls in die Raffinerie Schwechat. Ziel sei zudem, Schwechat an die russische Druschba-Pipeline anzuschließen. Die fehlenden 60 Kilometer Pipeline scheitern bisher allerdings am Widerstand des Transitlands Slowakei.

„Risiko ist anderswo ein Vielfaches“

Der dritte und vielleicht entscheidende Punkt: Die OMV öffnet Russlands Staatskonzern in einer politisch heiklen Phase das Tor nach Europa. Vor allem beim geplanten Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, an der die OMV mit zehn Prozent beteiligt ist, kann sich Gazprom nunmehr auf volle Rückendeckung aus Wien verlassen. „Wir wurden nach Russland eingeladen und jetzt lade ich die Gazprom nach Europa ein“, sagte Rainer Seele. Die EU tue gut daran, ihre Position zu Russland mittelfristig zu überdenken, betonte auch Schelling. In Zeiten, in denen Kuba und der Iran wieder in der Staatengemeinschaft aufgenommen werden, müsse man auch eine „Normalisierung der Beziehungen zu Russland anstreben“.

Warnungen, dass die OMV mit der Intensivierung der Beziehungen mit Russland ein zu hohes politisches Risiko eingehe, wiesen sowohl Rainer Seele als auch Hans Jörg Schelling zurück: „Mit diesem Deal geht die OMV kein höheres Risiko ein“, betonte der Finanzminister. Im Iran sei das Risiko ein Vielfaches. Auch der russische Energieminister Alexander Nowak beschwor die jahrzehntelange gute Zusammenarbeit der beiden Länder.
Trotz der demonstrativen Einigkeit, blieben auch die Unterschiede zwischen Österreich und Russland offensichtlich: „Ich sehe keinen Grund, warum dieser Deal noch scheitern sollte!“, schmetterte Gazprom-Chef Alexei Miller den Journalisten entgegen. OMV-Chef Rainer Seele bewertete den „Zwischenschritt“, der frühestens im Sommer zu konkreten Ergebnissen führen soll, zurückhaltender: „Toll, dass Herr Miller so überzeugt ist.“, sagte er. „Ich werde alles dafür tun, dass er recht behält.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2016)

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