Hoteliers als Reisebüros wider Willen

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Symbolbild.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Mit Umsetzung der novellierten EU–Pauschalreiserichtlinie könnten Hotels schnell zu Reiseveranstaltern werden – inklusive zweiter Kammermitgliedschaft und verschärften Haftungen.

Wien. Ein typisches Szenario vorweg: Ein kleines Hotel in den österreichischen Alpen bietet seinen Gästen Urlaubspakete mit Nächtigung, Halbpension sowie Skipässen, Berg- oder Radtouren an. Was nach touristischem Alltag klingt, könnte das kleine Hotel ab Mitte 2018 vor einen ungekannten finanziellen und bürokratischen Aufwand stellen. Denn dann gilt der Betrieb laut der Ende 2015 novellierten EU-Pauschalreiserichtlinie immer als Reiseveranstalter, sobald die vorab gebuchten „sonstigen touristischen Leistungen“ 25 Prozent des Gesamtwerts ausmachen.

Die Handhabung als Reiseveranstalter zieht nicht nur verschärfte Haftungen gegenüber dem Gast für alle im Paket enthaltenen Leistungen und eine kostspielige Absicherung für den Insolvenzfall nach sich, sondern könnte im Kammerstaat Österreich auch eine doppelte Zwangsmitgliedschaft für die betroffenen Tourismusbetriebe bedeuten. Die heimischen Hoteliers sind naturgemäß wenig erfreut. „Wir wollen nicht in der Fachgruppe Reisebüro sitzen und dort Kammerumlage zahlen“, stellt Petra Nocker-Schwarzenbacher, Tourismusobfrau in der Wirtschaftskammer, klar. Man sei nicht daran interessiert, dass die Mitglieder durch EU-Recht in einem Bereich belastet werden, der bisher lockerer geregelt und damit kein Thema war.

„Kosten darf das nichts“

Man suche gerade mit der Politik nach einer unbürokratischen Lösung, heißt es vonseiten der Kammer wie auch der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV). Beide geben sich optimistisch, diese vor Auslaufen der Umsetzungsfrist Ende 2017 zu finden. Von einem Gewerbeschein light für die betroffenen Unternehmen ist die Rede. „Kosten darf das nichts“, stellt Nocker-Schwarzenbacher aber klar.

Das sieht auch Gernot Liska vom Reisebüro-Fachverband so. Die Branche ist darauf bedacht, weder als Konkurrent der Hotellerie, noch als Profiteur der EU-Novelle aufzutreten. Ja, eine Änderung der Gewerbeordnung müsse her, um eine doppelte Mitgliedschaft hier gar nicht erst möglich zu machen. Und ja, auch bisher habe man geduldet, dass 70 Prozent aller Reisen in Österreich an den Büros vorbei direkt vor Ort gebucht wurden. „Man hat nebeneinander gut gelebt, sich kein Geschäft weggenommen“, sagt Nocker-Schwarzenbacher.

Der ehemalige Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung und derzeitige Neos-Mandatar Sepp Schellhorn findet schärfere Worte für das bisherige „kabarettistische“ Vorgehen der Wirtschaftskammer: Erst nachdem die Causa auf nationaler Ebene über die Bühne gebracht worden sei, habe der Fachverband Hotellerie eine Umfrage unter seinen Mitgliedern gestartet, wie diese zu der auf EU-Ebene bereits fixen Gesetzeslage stehen. Schellhorn stieß mit seiner Partei Mitte März im Nationalrat die Diskussion über die Umsetzung der Richtlinie an. So ist das von der WKO beteuerte Entgegenkommen der Politik und das Engagement von Staatssekretär Harald Mahrer nicht zuletzt ein Ausfluss der heftigen Proteste einiger Hoteliers.

Gewerbeordnung abspecken

„Wenn ich es als Regierung ernst nehme damit, Betriebe zu entlasten, müsste ich einen enormen Schnitt machen“, fordert Schellhorn eine generelle Abspeckung der Gewerbeordnung. Von den haftungsrechtlichen Verschärfungen der Novelle erwartet er sich keinen verbesserten Konsumentenschutz, sondern noch mehr Bürokratie und Klagen. „Jetzt kann der Gast auf die ganze Pauschalleistung aus meiner Reiseveranstalterkonzession klagen – das ist der Wahnsinn.“

Vor möglichen Doppelgleisigkeiten bei Haftungsfragen graue ihr auch bereits, sagt Nocker-Schwarzenbacher. Jeder Betrieb müsse zukünftig sehen, wie er seine Angebote ordnet – und vielleicht erst direkt vor Ort anbietet –, um den rechtlichen und bürokratischen Fallstricken zu entgehen. „Ich persönlich werde den Skipass nicht mehr ins Package nehmen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2016)

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