Der Filz zwischen Pharmafirmen und Ärzten

Aboulenein
Aboulenein (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein Oberarzt vom SMZ-Ost beschreibt verfilzte Strukturen zwischen Pharmafirmen und Ärzteschaft. Die Pharmabranche wehrt sich: Das sei vorbei, es gebe jetzt klare Regeln.

Laut Transparency International ist das Gesundheitswesen besonders anfällig für Korruption, weil es intransparent und komplex ist. Wie Pharmafirmen die Grauzonen im Gesundheitssystem ausnutzen, beschreibt Fahmy Aboulenein, Oberarzt und Facharzt für Neurologie am Wiener SMZ-Ost (Donauspital), im Buch „Die Pharma-Falle“. Aboulenein lehrt auch an der Medizinischen Universität in Wien.

Ein beliebtes Mittel bei der Manipulation von Ärzten seien Einladungen zu Fortbildungsveranstaltungen. Einmal wurde Aboulenein von einer Pharmareferentin gefragt, ob er am Jahrestreffen der amerikanischen Gesellschaft für Neurologie in Hawaii teilnehmen wolle. Denn die Pharmafirma sei mit den Verschreibungszahlen bei Medikamenten zufrieden gewesen. Die Referentin schlug vor, dass Aboulenein auch die Partnerin mitnehmen und noch die eine oder andere Woche anhängen könne. Damit sei ein Großteil der Kosten gedeckt. So billig werde er nie wieder nach Hawaii kommen. Aboulenein lehnte ab. Damals, 2011, nahmen 10.000 Ärzte am Treffen in Hawaii teil. Wie viele die Reise aus eigener Tasche bezahlt haben, ist unklar.

1500 Euro im Kuvert

Mit den Einladungen wollen die Pharmakonzerne die Ärzte bei der Verschreibung von Medikamenten beeinflussen, schreibt Aboulenein. Ihm seien auch Kongressbesuche in Sidney, Bangkok und Boston angeboten worden. Eigentlich sollte auf Kongressen der wissenschaftliche Austausch im Vordergrund stehen, doch sie verkommen zu „Gourmet- und Genussreisen in Form pompöser Werbeveranstaltungen der Pharmakonzerne“. Ein anderes Mal sei Aboulenein um 18 Uhr zu einer Expertensitzung eines großen Pharmakonzerns in einem noblen Wiener Hotel eingeladen worden. Auf jedem Platz sei ein Umschlag gelegen. Die meisten Kollegen sollen ihren Umschlag ungeöffnet in die Taschen gesteckt haben. In dem Umschlag befanden sich 1500 Euro als Aufwandsentschädigung für die Teilnahme. Aboulenein nahm das Geld nicht.

Viele wichtige Meinungsbildner in der Ärzteschaft werden als Vortragende, Studienautoren und Fachexperten von Pharmafirmen bezahlt. „Teilweise beziehen Ärzte aus solchen Tätigkeiten mehr Einkünfte als aus ihrer eigentlichen ärztlichen Tätigkeit“, schreibt Aboulenein. Von Objektivität bei der Beurteilung und Verschreibung von Medikamenten könne keine Rede sein.

In Österreich gilt für Ärzte, die in einem Krankenhaus tätig sind, ein Anfütterungsverbot. Sie dürfen keinerlei Geschenke und Zuwendungen annehmen. Um das zu umgehen, gibt es laut Abulenein „eine raffinierte rechtliche Konstruktion“. Pharmafirmen stellen dem Krankenhaus finanzielle Mittel zur Verfügung, mit denen das Krankenhaus die Ärzte zu Kongressen schicken kann. Die Pharmareferenten schlagen den Krankenhäusern die Ärzte für Kongressreisen vor. Formal gesehen erhält der Arzt keine direkte Zuwendung.

Aboulenein schätzt, dass zwei Drittel der in der westlichen Welt verschriebenen Medikamente überflüssig sind. Trotzdem kämen mithilfe von „manipulierten Studien und von der Pharmaindustrie wirtschaftlich unterwanderten Gremien“ ständig teure Medikamente auf den Markt. „Ein besonders beliebter Trick besteht darin, ein erfolgreiches Medikament vom Markt zu nehmen, es neu zuzulassen und mit neuer Verpackung zu einem deutlich gestiegenen Preis wieder auf den Markt zu bringen“, schreibt der Arzt. Ein Beispiel ist das Krebsmedikament Alemtuzumab. Der Preis pro Milligramm lag ursprünglich bei 21,70 Euro. Doch dann nahm der Hersteller das Mittel vom Markt. Wenig später wurde es für die Behandlung von Multiple Sklerose neu zugelassen. Diesmal kostete das Medikament aber 888 Euro pro Milligramm.

„Für Leistungen zu zahlen ist legitim“

Aboulenein will, dass die Ärzteschaft von der Pharmaindustrie unabhängig wird. Pharmareferenten sollen in Ausübung ihres Berufs keinen Zutritt mehr zu Krankenhäusern und Arztpraxen bekommen. Denn die Referenten würden den Ärzten die Zeit stehlen, „mit dem Zweck, den Umsatz ihrer Arbeitgeber zu maximieren“. Derzeit liege das Verhältnis Pharmareferenten zu Ärzten bei 1:10 bis 1:20.

Jan Huber, Generalsekretär der Pharmig, des Interessenverbands der Pharmaindustrie, sagte dazu zur „Presse“, dass Kongresse mit Rahmenprogramm oder auch die sogenannte Kuvertmedizin der Vergangenheit angehören. Für die Zusammenarbeit mit Ärzten gibt es mittlerweile klare Regelungen, gesetzliche wie auch branchenspezifische. So werden beispielsweise Anfang Juli erstmals rückwirkend die geldwerten Leistungen der Pharmafirmen an Ärzte offengelegt.

Grundsätzlich sei die Zusammenarbeit zwischen den Pharmafirmen und Ärzten für den medizinischen Fortschritt notwendig, sagt Huber. „Dabei ist es nur legitim, dass Ärzte – wie in jeder anderen Branche auch – für ihre Leistungen, sprich für den Zeitaufwand oder auch für ihr Know-how, bezahlt werden.“

Der Verhaltenskodex der Pharmig zeige aber klar, was erlaubt und verboten sei. So ist beispielsweise bei wissenschaftlichen Veranstaltungen und Symposien jegliche Organisation und Unterstützung von Freizeit- und Unterhaltungsprogrammen untersagt. Auch soll bei der Wahl des Tagungsortes der Freizeitwert kein Kriterium sein (wie Festspiele oder ein Skiresort). Die Verpflegung darf pro Person und Mahlzeit nicht mehr als 75 Euro kosten. Innerhalb Europas dürfen Flüge nur in der Economy-Class bezahlt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2016)

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