Die Stimmung der heimischen Arbeitnehmer ist im Keller. Der Arbeitsklima-Index ist auf das niedrigste Niveau seit zwölf Jahren gefallen. Tristesse stellt sich vor allem bei Hochschulabsolventen ein.
Wien. Die Arbeitslosenquote liegt in Österreich derzeit bei 9,4 Prozent - und damit auf dem höchsten Niveau seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Diejenigen, die einen Job haben, müssten also ziemlich froh darüber sein. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Zufriedenheit der österreichischen Arbeitnehmer hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Der sogenannte Arbeitsklima-Index ist auf das niedrigste Niveau seit zwölf Jahren gefallen. Der Index wird von den Instituten Ifes und Sora für die Arbeiterkammer Oberösterreich berechnet.
Schuld an der Lage sei der wachsende Pessimismus, wie es heißt. Die Beschäftigten haben zunehmend Zweifel an der wirtschaftlichen Entwicklung, der Lage auf dem Arbeitsmarkt und den eigenen Zukunftsperspektiven. Hinzu kommt noch die Belastung durch die geforderte Flexibilität.
Nur in den Jahren 2004 und 1999 war die Unzufriedenheit der Arbeitnehmer schon einmal so groß – 1998 war sie allerdings noch größer. Der Index selbst wird seit 19 Jahren ermittelt.
Demnach sind nur noch 54 Prozent der Befragten optimistisch hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung. Vor einem Jahr waren es immerhin noch 63Prozent. Auch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt werden zunehmend schlechter eingeschätzt. Die Zufriedenheit mit dem „gesellschaftlichen Status als Arbeitnehmer“ hat im Vergleich zu 2015 ebenfalls abgenommen.
Besonders eklatant ist laut Daniel Schönherr vom Institut Sora die Unzufriedenheit in zwei Gruppen: bei den Hochschulabsolventen und bei jenen mit Pflichtschulabschluss. Unter den Akademikern ist der Arbeitsklima-Index im Vergleich zum Vorjahr am stärksten zurückgegangen. Vor allem in der Altersgruppe der 26- bis 35-Jährigen ist die Stimmung mies.
Zwar glauben noch rund zwei Drittel, eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Doch mit ihren Aufstiegs-und Entwicklungsmöglichkeiten sind nur noch 38 Prozent der Jüngeren zufrieden. 2010 waren es immerhin noch 64 Prozent. Damit schätzen die Jungen ihre Lage in etwa so schlecht ein wie ältere Akademiker ab 46 Jahren. Die Gruppe der 36- bis 45-Jährigen zeichnet zwar ein etwas besseres Bild – doch unter dem Strich sind mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Beschäftigten mit Studienabschluss unzufrieden, was ihre Karrieremöglichkeiten betrifft.
Schönherr zufolge hat das mehrere Gründe: Unter anderem würden etwa Mediziner oder Geisteswissenschaftler nicht jene Stellen vorfinden, die man ihnen zehn Jahre zuvor versprochen habe. Zum anderen würden viele Akademiker unter ihrer Qualifikation arbeiten. Die Absolventen kämen folglich zu der Einsicht, dass der Arbeitsmarkt sie nicht mit offenen Armen empfange, sagt Schönherr. Und das frustriert. Das Bauchgefühl der Akademiker trügt dabei nicht. Denn die Zahl der arbeitslosen Hochschulabsolventen ist absolut gesehen zwar gering, doch die Zuwachsrate war gegenüber dem allgemeinen Anstieg der Arbeitslosigkeit deutlich höher. Anfang 2015 waren beispielsweise 20 Prozent mehr Akademiker auf der Suche nach einem Job als noch ein Jahr zuvor.
Zeitdruck belastet
Auch unter den Pflichtschulabsolventen ist das Bild trist. Die Stimmung ist hier auf einen neuen Tiefstand gefallen – wenngleich Geringqualifizierte ihre Lage stets pessimistischer einschätzen. So glaubt beispielsweise nur ein Drittel daran, leicht einen neuen Posten zu finden. Das heißt umgekehrt aber auch: 65Prozent schätzen ihre Aussichten auf eine neue Beschäftigung schlecht ein.
Zugenommen hat auch der Anteil derjenigen, für die der Zeitdruck in der Arbeit zu einer Belastung geworden ist. Den Uni-Absolventen geht es da freilich auch nicht besser. (nst)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2016)