Studie: Karriere dank Parteibuchs

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Dass Spitzenposten in Österreich nach Parteizugehörigkeit vergeben werden, ist keine Neuigkeit. Nun aber bestätigt eine Studie diesen Zusammenhang.

Wien. „Ob Sie mir das glauben oder nicht, ich weiß von niemandem, welches Parteibuch er hat.“ Mit diesem Sager holte sich Rudolf Hundstorfer, SPÖ-Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, am Donnerstag im ORF die Lacher der versammelten „Elefantenrunde“. Obwohl er es genauso wenig als Witz gemeint hatte wie den Nachsatz, es habe nie Interventionen bei ihm gegeben. Besetzungen nach Parteibuch seien schon lang nicht mehr Realität, so Hundstorfer.

Dass das nicht stimmt, weiß man als gelernter Österreicher. Aber es ist auch wissenschaftlich erwiesen. Laurenz Ennser-Jedenastik, Politologe am Institut für Staatswissenschaft, hat für den Wissenschaftsfonds FWF 700 Spitzenfunktionäre in Europa auf ihren politischen Hintergrund untersucht. Konkret ging es in der Studie um die Regulierungsbehörden. Diese Behörden, die in den Bereichen Energie, Telekommunikation und öffentlicher Verkehr den Wettbewerb hüten, sind per Statut unabhängig. De facto aber werden die dortigen Topjobs vorzugsweise an Parteigänger vergeben. Und das in keinem Land so gehäuft wie in Österreich. In neun von 18 untersuchten Fällen wurden Führungsämter politisch besetzt.

Studienautor Ennser-Jedenastik hat die Lebensläufe der Regulatoren auf ihre politische Vergangenheit hin untersucht. Der Jurist Theodor Thanner etwa war Mitarbeiter vieler ÖVP-Minister, ehe er Chef der Bundeswettbewerbsbehörde wurde. Der ehemalige Vorstand der Finanzmarktaufsicht (FMA), Heinrich Traumüller, war zuvor Kabinettschef von Karl-Heinz Grasser, damals ÖVP-Finanzminister. Überhaupt wird in der FMA gern politisch besetzt: Der aktuelle Vorstand, Helmut Ettl, gilt als Vertrauter von Bundeskanzler Werner Faymann, an seiner Seite werkt der ÖVP-nahe Klaus Kumpfmüller. Ähnlich ist das beim Energieregulator E-Control. Deren früherer Vorstand Martin Graf war einst informeller Berater von Ex-SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Sein Ko-Vorstand Walter Boltz saß zwar auf einem ÖVP-Ticket, hatte aber nie einen Posten in der Partei bekleidet, weshalb er in der Studie als unabhängig gewertet wird.

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Das sind nur einige Beispiele dafür, wie stark in Österreich noch immer das Parteibuch über die Karriere entscheidet. Und Studienautor Ennser-Jedenastik sagt: „Der Anteil der parteinahen Besetzungen ist wahrscheinlich noch höher.“ Das liegt daran, dass er nur jene Personen als „parteinahe“ eingeordnet hat, in deren Lebenslauf sich ein „hartes biografisches Kriterium“ fand, die also zum Beispiel einmal in einem Ministerbüro gearbeitet haben. Es sei auch möglich, dass die politische Nähe nicht ersichtlich ist. Was Ennser-Jedenastik aber auch sagt: „Dass die Personen Parteien nahestehen, heißt nicht, dass sie nicht qualifiziert wären.“

Parteibuch schützt Arbeitsplatz

Ennser-Jedenastik hat noch einen anderen interessanten, wenn auch wenig überraschenden Zusammenhang festgestellt: Funktionäre mit Nähe zu Regierungsparteien bleiben länger im Amt als ihre Kollegen, die der Opposition nahestehen. Nach einem Regierungswechsel würden oppositionsnahe Funktionäre schneller ausgetauscht als regierungsnahe bzw. parteifreie. Die Studie umfasst den Zeitraum 1996 bis 2013, also auch jene Jahre, in denen die FPÖ (bzw. das BZÖ) Teil der Regierung war.
Laut Ennser-Jedenastik liegt Österreich in allen internationalen Studien zum Thema parteinahe Besetzungen im Spitzenfeld. 2013 untersuchte der Politologe, wie es hierzulande um die Besetzung von Managementposten in staatsnahen Unternehmen bestellt ist. Er durchforstete alle Unternehmen, an denen der Bund mehr als 50 Prozent der Anteile hält, das sind 87 Firmen, von den Österreichischen Bundesbahnen bis zur „Wiener Zeitung“. Mit dem Ergebnis, dass von 1995 bis 2010 bei mindestens jedem zweiten Topjob (Vorstand, Geschäftsführer und Aufsichtsrat) das Parteibuch eine Rolle spielte. Von 1242 Spitzenmanagern waren 719 einer Partei zuzuordnen: 287 der ÖVP, 281 der SPÖ und 151 der FPÖ bzw. dem BZÖ. Die Dunkelziffer dürfte höher sein.

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