Beiträge: Angriff auf das Wirtschaftskammer-Dickicht

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Über eine halbe Milliarde Euro pro Jahr zahlen Unternehmen an die Kammer. Die Berechnung der Beiträge gestaltet sich höchst unübersichtlich.

Wien. Christoph Leitl gibt gern den Anwalt der Unternehmer. „Weniger Belastung und weniger Bürokratie“, lautet einer der Slogans. Wenn es um das eigene Haus geht, ist der Wirtschaftskammer-Boss allerdings deutlich toleranter. Die Beiträge, die Österreichs Unternehmer als Pflichtmitglieder an die Kammer zahlen müssen, werden auf höchst unübersichtliche Art und Weise berechnet.

Über eine halbe Milliarde Euro überweisen Österreichs Wirtschaftstreibende jährlich an ihre gesetzliche Interessenvertretung. Ein Teil davon ist die Grundumlage. Jeder Betrieb muss sie bezahlen, sie finanziert die rund 600 Fachgruppen in Österreich: eine pro Branche und Bundesland. Die Fachgruppen dürfen den Beitrag selbst festlegen. Das sieht zum Beispiel so aus: Der Bundesfachverband der Molkereien beschließt, dass die Umlage anhand der verarbeiteten Milchmenge im Betrieb berechnet wird. Wie viel Geld pro Kilo Milch eingehoben wird, beschließen die Fachgruppen in den Bundesländern.

Das hat zur Folge, dass zwei Firmen aus derselben Branche unterschiedlich viel Grundumlage bezahlen, nur weil sie in verschiedenen Bundesländern angesiedelt sind. Bei den Bestattern etwa wird die Grundumlage in einigen Bundesländern anhand der Sterbefälle berechnet. Ein Betrieb mit 450 Beerdigungen im Jahr bezahlt – bei gleicher Betriebsgröße – in Kärnten 240 Euro Grundumlage jährlich, im Burgenland 2025 Euro. Eine Werbeagentur zahlt in Wien 85 Euro Grundumlage, im Burgenland 247 Euro. Hat eine Firma Standorte in mehreren Bundesländern, berappt sie gleich mehrmals Grundumlage in unterschiedlicher Höhe.

„Sachgerecht belasten“

Herwig Höllinger, stellvertretender Generalsekretär der Wirtschaftskammer, findet daran nichts seltsam. „Ich kann nicht nachvollziehen, was daran unübersichtlich ist“, sagt er zur „Presse“. „Sie dürfen nicht übersehen, dass die Fachgruppen eigene Körperschaften öffentlichen Rechts sind, die sich nach dem Bedarfsdeckungsprinzip finanzieren.“ Heißt: Jede Fachgruppe hebt so viel Geld ein, wie sie eben braucht. Mit den Beiträgen werden auch Sonderaktionen wie Imagekampagnen und Bildungsoffensiven finanziert.

Der Verfassungsgerichtshof findet das nicht so selbstverständlich. Das zeigt ein aktueller Bescheid zur Holzindustrie. Ein Betrieb mit mehreren Standorten hat 2014 in Oberösterreich 295.294 Euro Grundumlage bezahlt und 313.892 Euro in Niederösterreich. Das Höchstgericht hält das für ungesetzlich, weil die Beiträge laut Wirtschaftskammergesetz einheitlich sein müssen, und hob die entsprechenden Verordnungen auf.

Das kommt dem grünen Abgeordneten Matthias Köchl entgegen, der sich über die unübersichtlichen Strukturen der Kammerbeiträge ärgert. „Die Wirtschaftskammer sollte ihre Taktik, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ihre Mitglieder zu belasten, dringend hinterfragen“, sagt Köchl. „Überraschend“ findet er auch, dass zahlreiche Grundumlagen auf Basis der Lohnsumme berechnet werden. Diese sage nichts über die Gesundheit eines Betriebes aus. „Hält ein Betrieb seine Beschäftigten auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten, wird das von der Kammer noch bestraft“, so Köchl. Er fordert eine einheitliche Berechnung der Grundumlagen in allen Bundesländern. Außerdem will er die Grundumlage mit 100 Euro pro Betrieb und Jahr deckeln. Einen entsprechenden Antrag bringt er am heutigen Mittwoch im Nationalrat ein.

Wirtschaftskammer-Vize Herwig Höllinger weist die Kritik zurück. Die unterschiedliche Berechnung der Beiträge ergebe „ein buntes Bild, aber dagegen spricht gar nichts“, so Höllinger. Schließlich gehe es darum, „möglichst sachgerecht zu belasten“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2016)

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