Wie Österreich am Ausland verdient

Fiaker vor dem Stephansdom
Fiaker vor dem StephansdomClemens Fabry
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Billiges Öl, ein schwacher Euro und kauflustige Touristen aus dem Ausland bescherten Österreich im Vorjahr ein kräftiges Plus in der Leistungsbilanz. Nur frische Investitionen aus dem Ausland blieben Mangelware.

Wien. Sanktionen, lahmender Welthandel, schwache Konjunktur und zuletzt auch noch neue Grenzzäune. Die Bedingungen für international tätige Unternehmen waren im Vorfeld nicht die besten. Dennoch hat die heimische Exportwirtschaft ein beachtliches Ergebnis hingelegt, wie ein Blick in die aktuelle Leistungsbilanz der Oesterreichischen Nationalbank zeigt. In Summe kamen demnach 8,6 Milliarden Euro mehr aus dem Handel mit Gütern und Dienstleistungen ins Land, als Österreich jenseits der Grenzen abliefern musste.

Jeder 2. Euro aus Deutschland

Die genauen Gründe für das erfreuliche Abschneiden dämpfen die Euphorie etwas. Entscheidender Faktor für die gute Bilanz zwischen Importen und Exporten war nämlich der Einbruch der Ölpreise, der Rohstoffimporte stark verbilligt hat. Die deutsche Bundesbank schätzt den Einfluss des Öl-Preissturzes auf die Schwankungen in der Exportstatistik auf über 50 Prozent. Österreich profitierte 2015 stark, hat es aber nicht in der Hand, diesen Erfolg auch zu wiederholen.

Ähnlich sieht es bei Grund Nummer zwei aus, dem schwachen Euro. Europas Gemeinschaftswährung verlor im Vorjahr vor allem gegenüber dem US-Dollar an Wert. Das half traditionell der europäischen Exportwirtschaft, die ihre Waren in Übersee deutlich günstiger anbieten konnte. Auch hier ist Österreich lediglich nur Nutznießer – diesmal von der lockeren Geldpolitik des EZB-Präsidenten, Mario Draghi.

Erst Grund Nummer drei fällt in die heimische Einflusssphäre: Österreich blieb seinem Internationalisierungskurs treu und hat die Tore zum Ausland (in der Wirtschaft) auch 2015 weit offen gehalten. Das machte sich doppelt bezahlt: 16,5 Milliarden Euro brachten allein die 26,7 Millionen ausländischen Touristen ins Land. Jeder zweite Euro kam von einem Deutschen. Zum Vergleich: Österreicher ließen im Vorjahr lediglich 8,1 Milliarden Euro bei Reisen im Ausland liegen. In Summe ergibt das – allem Wehklagen der Branche zum Trotz – die beste Reiseverkehrsbilanz seit zwanzig Jahren.

Bürokratie schreckt Investoren

Auch Österreichs Exporteure schlugen sich beachtlich. Ihre Erlöse stiegen um 3,3 Prozent auf 182 Milliarden Euro, der stärkste Anstieg seit dem Einbruch im Jahr 2009.

Das ist insofern beachtlich, als die Nationalbank selbst vor Kurzem davor gewarnt hatte, dass die heimische Exportwirtschaft international den Anschluss zu verlieren drohe. Ganz wollte Nationalbank-Vize Andreas Ittner diese Warnung trotz der soliden Zahlen nicht aufheben. „Die Exporte steigen, aber sie steigen langsam“, sagte er. Vor allem eines bereite ihm mittelfristig Sorgen: Während die Dienstleistungsexporte seit 2010 wieder konstant nach oben zeigten, hätten sich die Warenexporte vom Schock 2009 nie richtig erholt. Heuer habe der starke Anstieg bei den Dienstleistungen noch für ein Gesamtplus gereicht. Doch die meisten Dienstleistungen (Wartungsarbeiten, Transport) hängen direkt von den Warenexporten ab. Kommt der Warenhandel nicht in Schwung, droht auch die Nachfrage nach heimischen Dienstleistungen im Ausland zu verflachen.

Noch drastischer ist aus Sicht der Nationalbank eine andere Entwicklung: Österreich schafft es seit Jahren nicht, neue Investitionen aus dem Ausland anzuziehen. 2015 flossen netto 3,5 Milliarden Euro ins Land – ein Plus von 2,4 Prozent. Weltweit stiegen die ausländischen Direktinvestitionen um 6,5 Prozent, also mehr als doppelt so rasch. Und auch bei den 3,5 Milliarden handelt es sich nicht um „frisches Kapital“, betonte Andreas Ittner. Der Großteil seien Gewinne heimischer Unternehmen, die deren ausländische (Mit-)Eigentümer im Land reinvestierten. Gäbe es diese Gewinne nicht, flösse sogar Geld ab.

Österreich müsse versuchen, wieder verstärkt Teil internationaler Produktionsketten zu werden. Nur das sichere notwendige Investitionen in Forschung und Entwicklung. Auf die Frage, warum Investoren derzeit eher einen Bogen um das Land machen, antwortete der stellvertretende Nationalbank-Gouverneur mit einer EU-Statistik: In kaum einem europäischen Land ist der Bürokratieaufwand für Firmen höher als in Österreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2016)

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