Affäre: Auch Bundesländer spekulieren

Kärnten und Burgenland nutzten den Schweizer Franken, um den Schuldenstand zu optimieren.
Kärnten und Burgenland nutzten den Schweizer Franken, um den Schuldenstand zu optimieren. (c) Bilderbox.com
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Die Spekulationsgeschäfte der Bundes-Finanzierungsagentur sind kein Einzelfall. Die ÖVP verlangt nun, dass sich der von Kanzler Faymann einberufene Finanzgipfel auch mit Bundesländern und Gemeinden beschäftigt.

Wien. Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) dreht den Spieß um. Er fordert, dass bei dem von Kanzler Werner Faymann (SPÖ) einberufenen Finanzgipfel am 31.Juli nicht nur die Anlageaktivitäten der Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA), sondern auch die Risikogeschäfte der Bundesländer unter die Lupe genommen werden. Denn damit haben auch einige von der SPÖ regierten Bundesländer Erklärungsbedarf.

Neben der ÖBFA setzen viele Finanzabteilungen in den Landeshauptstädten ausgeklügelte Finanzinstrumente (Derivate wie Zins- und Währungsswaps) ein, um das Schuldenportfolio zu steuern und zu optimieren. Einen detaillierten Überblick über alle Bundesländer gibt es nicht. Laut Angaben des Rechnungshofs kommen Derivate vor allem in Salzburg, im Burgenland und in Kärnten zur Anwendung. „Die Presse“ hat sich die Spekulationsgeschäfte einiger Länder und Gemeinden angesehen – unabhängig von parteipolitischen Präferenzen.
Burgenland: Das Land führte laut Rechnungshof Derivativgeschäfte durch, „ohne über die damit verbundenen Risken bis zum Jahr 2006 ausreichend informiert gewesen zu sein“. Die teilweise nicht zu Absicherungszwecken durchgeführten Finanzprodukte waren als „risikoreich“ einzustufen, kritisiert der Rechnungshof. Nach anfänglichen Gewinnen von 21,28Mio. Euro verursachten diese Instrumente in den Jahren 2004 bis 2007 Verluste von 11,36 Mio. Euro.

Die Landesregierung in Eisenstadt beauftragte ohne die Einholung von Vergleichsangeboten einen externen Finanzdienstleister mit der Vorbereitung und der operativen Abwicklung der Finanzaktivitäten. Vereinbart wurde ein Pauschalhonorar von 114.000 Euro pro Jahr, was laut Rechnungshof „in Bezug auf die Anzahl der durchgeführten Transaktionen unangemessen hoch“ war. Bei solchen Geschäften sind im Regelfall Erfolgshonorare üblich. Im Burgenland wurde der Steuerzahler auch in Verlustjahren zur Kasse gebeten.

Weitere Karibik-Deals

Niederösterreich: Laut „Presse“-Informationen war auch das Land Niederösterreich über einen Fonds zeitweise mit mehr als 100 Mio. Euro auf den Cayman Islands in der Karibik investiert. Das Land hatte im Jahr 2002 Wohnbaudarlehen verkauft und die Erlöse von 4,38Mrd. Euro auf den Kapitalmärkten veranlagt. Mitte Mai 2009 lag das Bewertungsminus bei 700 Mio. Euro. Allerdings wurden seit 2002 knapp 860 Mio. Euro an Gewinnen ausgeschüttet.

Die Opposition verlangt eine genaue Offenlegung des Portfolios und die Namen der Banken und Vermögensverwalter, die für das Land arbeiten. Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) lehnt dies ab. „Für uns ist die jetzige Struktur zu undurchsichtig“, kritisieren Niederösterreichs Sozialdemokraten.
Kärnten: Das Land Kärnten hat vor allem auf den Schweizer Franken und den US-Dollar gesetzt, obwohl Nationalbank und Finanzmarktaufsicht (FMA) immer auf die besonders hohen Risken solcher Geschäfte hingewiesen haben. Zeitweise hielt Kärnten bis zu 59 Prozent der Gesamtschulden in Franken und Dollar. Die Ausfallsgefahr aus den riskanten Finanzinstrumenten bezifferte der Rechnungshof für das Jahr 2007 mit 120 Mio. Euro. In Summe ist Kärnten jedoch mit einem Plus ausgestiegen. Von 2003 bis 2007 konnte das Landesbudget um 3,87Mio. Euro entlastet werden.
Salzburg: Der Rechnungshof kritisiert, dass „das Land jahrelang Derivativgeschäfte mit hohem Volumen ohne direkte Bezugnahme auf das Grundgeschäft und teils ohne Absicherungszwecke und mit spekulativem Hintergrund durchgeführt hat“. Risikoanalysen seien erst fünf Jahre nach Aufnahme der ersten Transaktionen durchgeführt worden. Ende 2007 lag das Volumen von risikoreichen Zinsgeschäften bei einem Nominale von 1,7 Mrd. Euro. In Summe ist das Land aber mit einem Gewinn ausgestiegen. Laut Rechnungshof gibt es Diskrepanzen in der Darstellung des Landes bezüglich Swaps und Gegenswaps.
Gemeinden und Städte: Eine Gesamtschau über den Einsatz riskanter Finanzprodukten in Städten und Gemeinden gibt es nicht. Bekannt ist jedoch, dass in 90 niederösterreichischen Gemeinden Zinsabsicherungsgeschäfte schiefgelaufen sind.

Meinung, Seite 31

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2009)

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