Mehr Arbeitslose trotz Aufschwung

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THEMENBILD / ARBEITSLOSIGKEIT / ARBEITSMARKT / STELLENMARKT(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Die EU-Kommission erwartet eine wirtschaftliche Erholung in Österreich. Da sich aber immer mehr Menschen auf Jobsuche begeben, wird die Arbeitslosenquote bis 2017 weiter steigen.

Brüssel. Europas Unternehmen mühen sich redlich um gute Schlagzeilen. Im vergangenen Jahr sind so viele neue Jobs geschaffen worden wie nie seit Ausbruch der Krise im Jahr 2008. Die durchschnittlichen BIP-Wachstumsraten auf dem Kontinent nähern sich wieder einer stabilen Zwei-Prozent-Marke. Erfolgsstories gibt es genug: Das einstige Sorgenkind Irland holt zum zweiten Mal in Folge den Titel als EU-Wachstumskaiser. Die Rekordstände bei den nationalen Arbeitslosenquoten sind längst Geschichte. Selbst in der Eurozone wird der Anteil der Jobsuchenden bis 2017 wieder in den einstelligen Prozentbereich fallen, schreibt die EU-Kommission in ihrer aktuellen Frühjahrsprognose.

Die große Ausnahme ist Österreich. Auch hierzulande erwarten die Brüsseler Ökonomen in den kommenden Monaten und Jahren eine – wohl mäßige, dafür stabile – Erholung der Wirtschaft. Nach einem realen Plus von 0,9 Prozent im vergangenen Jahr sollen es heuer immerhin 1,6 Prozent werden (im Winter war die EU noch optimistischer). Im nächsten Jahr dürfte die Wirtschaftsleistung dank erwartet guter Konsumlaune der Österreicher sogar um 1,7 Prozent wachsen. Die Misere auf dem heimischen Jobmarkt wird dadurch allerdings nicht gelindert werden, warnt die EU-Kommission. Während die Arbeitslosigkeit in den meisten EU-Mitgliedsländern fallen wird, steigt sie in Österreich bis 2017 sogar noch kräftig auf 6,1 Prozent an (siehe Grafik).

Das Wachstum reicht nicht aus

Schon heute ist Österreich (neben Estland) der einzige EU-Staat, in dem die Arbeitslosenrate steigt. In drei Ländern bleibt die Quote gleich, in 23 Staaten geht die Arbeitslosigkeit zurück. Diese Entwicklung ist umso überraschender, als Österreich bis vor wenigen Jahren noch das Vorzeigeland in Sachen Beschäftigung war. Lange Zeit hielt sich die Republik an der Spitze jener EU-Staaten mit den niedrigsten Arbeitslosenquoten – wenn auch nicht immer ganz gerechtfertigt (Stichwort Frühpensionierungen).

(c) Die Presse

Diese Zeiten sind lange vorbei. Österreich ist mittlerweile auf den fünften Rang abgerutscht, 2017 wird das Land nur noch auf Platz acht stehen. Die heimische Arbeitslosenquote steigt nach Erwartung der EU von heute 5,7 Prozent auf 6,1 Prozent im Jahr 2017. Auch dann ist Österreich eines von nur drei Ländern in der EU, in denen sich die Jobkrise trotz des Aufschwungs weiter verschärft. Auch Deutschland und Estland steuern auf eine negative Entwicklung zu.

Die EU-Kommission gibt auch eine Antwort auf die Frage, wie es sein kann, dass die Wirtschaft endlich wieder stärker wächst und dennoch immer mehr Menschen ohne Arbeit dastehen. Der Aufschwung sorge für eine stabil steigende Beschäftigung, es werden also mehr Menschen im Land einen Job haben als heute. Da zeitgleich aber auch deutlich mehr Menschen nach Arbeit suchen werden (Migration, längere Beschäftigung von Älteren), steigt die Arbeitslosenquote entsprechend an. Die Erkenntnis ist für Österreich nicht vollkommen neu. Schon im vergangenen Jahr hat das Institut für Höhere Studien (IHS) in seiner Mittelfristprognose davor gewarnt, dass die Arbeitslosenquote im Land trotz BIP-Wachstums bis 2019 mit 8,75 Prozent (nationale Berechnung) vergleichsweise hoch bleiben werde. Um hier die Trendwende zu schaffen, müsste die heimische Wirtschaft um 2,5 bis drei Prozent im Jahr wachsen. Davon ist Österreich auf absehbare Zeit weit entfernt.

Dritthöchste Inflation in der EU

In einer anderen Rangliste hält sich Österreich hingegen weiter in der „Spitze“ der EU-Staaten: Eine prognostizierte Teuerungsrate von 0,9 Prozent im heurigen Jahr reicht für die Top drei. Schneller steigen die Preise nur in Belgien und Malta. Für 2017 wird mit einem deutlichen Anstieg auf 1,7 Prozent gerechnet. Als Hauptgrund für den starken Preisauftrieb in Österreich sieht die EU-Kommission die „stabil steigenden Preise“ im Dienstleistungsbereich, speziell im Tourismus. Im Schnitt der 28 EU-Länder wird die Inflationsrate heuer bei 0,3 Prozent liegen, die Eurozone kann eine Teuerung von 0,2 Prozent erwarten.

Positiv bewertet die EU-Kommission den Fortschritt der Aufräumarbeiten nach der staatlichen Schuldenkrise auf dem Kontinent. Im EU-Schnitt sinken die Haushaltsdefizite von 2,4 Prozent 2015 auf 2,1 Prozent im heurigen Jahr und auf 1,8 Prozent 2017. Österreichs Defizit steigt zwar heuer von 1,2 auf 1,5 Prozent. 2017 soll es aber wieder auf 1,4 Prozent sinken.

Schlechter ist die Lage in Spanien. Mit einem erwarteten Defizit von 3,9 Prozent des BIP wird das Land heuer bereits zum neunten Jahr in Folge seine Reduktionsziele und die Drei-Prozent-Marke aus Brüssel verfehlen. Auch Portugal und Frankreich hinken beim Schließen ihrer Haushaltsdefizite hinterher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2016)

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