Servus TV: Ein Gewerkschaftssieg der speziellen Art

Mateschitz und Servus TV: Es war nur eine kurze Vollbremsung.
Mateschitz und Servus TV: Es war nur eine kurze Vollbremsung. Imago
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Die Doch-nicht-Schließung des Red-Bull-Senders Servus TV wirft ein Licht auf den Machtanspruch heimischer Gewerkschaften.

Wien. Es dürfte auch für Gewerkschaftsführer Gerald Forcher eine neue Erfahrung gewesen sein. Indem er versprach, dass sich die Gewerkschaft künftig nicht mehr in die Angelegenheiten des Red-Bull-Senders Servus TV einmischt, rettete er 260 Arbeitsplätze. Ob Mitarbeiter ihre innerbetrieblichen Mitwirkungsrechte wahrnehmen wollen, obliege ausschließlich ihnen selbst, sagte Forcher. Auch ein spannender Satz aus dem Munde eines Gewerkschafters. Überhaupt offenbarte die Reality-Show rund um den Sender Servus TV viel über einen ins Wanken geratenen Machtanspruch von Gewerkschaften in einer globalisierten Welt.

Die Nachricht über die Einstellung des Salzburger Privatfernsehsenders schlug am Dienstag unerwartet und laut ein. Schnell wurde klar, dass es nicht darum ging, dass der Sender sieben Jahre nach der Gründung noch keine schwarzen Zahlen lieferte. Im Reich des Red-Bull-Gründers Dietrich Mateschitz sorgen ohnehin die Dosen für den Erfolg. Der Rest kann getrost unter dem Titel Mäzenatentum zusammengefasst werden. Das Formel-1-Engagement inklusive Wiederbelebung der Rennstrecke im steirischen Spielberg, die Fußball- und Eishockey-Ambitionen bis hin zum Red Bull Media House. Alles Aktivitäten, die am Ende natürlich in die Marke Red Bull einzahlen. Eingezahlt wurde und wird von Dietrich Mateschitz. Schon schien es, als hätte sich der 71-jährige Multimilliardär damit abgefunden, dass man sich in Österreich mit Erfolg und Geld in erster Linie Neid erkauft – und keinesfalls Anerkennung.

Doch die Sache mit der geplanten Gründung eines Betriebsrats dürfte der letzte Tropfen gewesen sein, der die Dose zum Überlaufen brachte. Schon kursierten Gerüchte, Mateschitz erwäge, Österreich und seinem Klima der Bevormundung und Missgunst gänzlich den Rücken zu kehren. Im Unterschied zu anderen Unternehmern, die hierzulande Produktionsstätten haben, setzt Mateschitz in seiner Zentrale in Fuschl bei Salzburg in erster Linie auf österreichisches Hirnschmalz.

Und in der Vergangenheit hörte man aus dem Red-Bull-Imperium von Mitarbeitern nur positive Geschichten. „Tolles Arbeitsklima, flache Hierarchien, geile Firma“, konstatierten Journalisten bis vor Kurzem. Langjährige Mitarbeiter fanden im Falle, dass sie ihren Aufgaben nicht mehr gewachsen waren, an einem anderen Ort des Red-Bull-Reiches Verwendung. Doch dann passierte die Geschichte mit Ursula Macher.

Seit mehr als zehn Jahren arbeitete sie für Red Bull, seit vier Jahren war sie Chefredakteurin des „Seitenblicke Magazin“. Dass das Magazin mehr schlecht als recht geht, ist den Verantwortlichen seit längerer Zeit klar. Doch die Art und Weise, wie Macher von Red-Bull-Media-House-Chef Christopher Reindl abgesetzt wurde, war für die „geile Firma“ neu – und für viele Mitarbeiter ein Kulturschock. Sie könne gleich auf der Stelle ihre Sachen packen, sei ihr coram publico im Zuge einer Redaktionssitzung befohlen worden.

Anonyme Initiative

Zufall oder nicht: Wenige Wochen später fand bei den Kollegen von Servus TV eine anonyme Umfrage über die Gründung eines Betriebsrats statt. Am Montag drückte Mateschitz die Escape-Taste. „Unabhängigkeit, Eigenständigkeit und Unbeeinflussbarkeit, insbesondere durch politische Parteien, egal welcher Richtung, war von Anfang an ein tragender Pfeiler von Servus TV“, sagt Mateschitz in einem Gespräch mit den „Salzburger Nachrichten“. Dass dieser Betriebsrat noch dazu anonym und unterstützt von Gewerkschaft und Arbeiterkammer initiiert worden sei, hätten diese Werte nachhaltig beschädigt.

Noch am selben Tag unterschrieben mehr als 200 Servus-TV-Mitarbeiter gegen eine Betriebsratsgründung. Am Mittwoch folgte schließlich die Entwarnung. „Red Bull führt den Sender weiter, und die Kündigungen werden zurückgenommen.“

So einen Gewerkschaftssieg hat das Land noch nicht gesehen. (gh)

AUF EINEN BLICK

Servus TV wurde 2009 gegründet und erzielt eine Reichweite von 1,5 Prozent. Der Sender gehört zum Red-Bull-Konzern. Eigentümer und Milliardär Dietrich Mateschitz muss jedes Jahr einen knappen dreistelligen Millionenbetrag in den defizitären Fernsehsender stecken. Servus TV beschäftigt 264 Mitarbeiter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2016)

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