Umfahrung Schützen: Privatstraße wider Willen

Anrainer und Umweltdachverband fordern Sperre der Umfahrung.
Anrainer und Umweltdachverband fordern Sperre der Umfahrung.(c) BilderBox
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Welche Folgen hat es, wenn eine Umfahrungsstraße über Privatgrund verläuft? Klar ist vorerst nur eines: Der Streit geht weiter.

Wien. „Wie ist das jetzt? Darf jeder Grundeigentümer ein Durchfahrt-verboten-Schild aufhängen? Und was ist, wenn jemand einen Zaun aufstellt?“ Solche Fragen werden ernsthaft diskutiert, seit man weiß, dass im Burgenland Autos über Privatgrund brausen.

Es geht um die Umfahrung Schützen am Gebirge. Sie wurde ohne Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gebaut, die Anrainer ließ man beim Thema UVP nicht mitreden. Der österreichischen Gesetzeslage entsprach das damals noch, dem EU-Recht nicht (wie der EuGH später klarstellte). Was folgte, war ein jahrelanger Rechtsstreit.

Jüngster Knalleffekt: Der Verwaltungsgerichtshof gab Beschwerdeführern recht, die sich gegen ihre Enteignung für die Trasse gewehrt hatten. Die Enteignungsbescheide wurden gekippt, die Grundstücke fielen an ihre früheren Eigentümer zurück („Die Presse“ berichtete). Das heißt: Die Umfahrung Schützen befindet sich auf privaten Grundstücken.

„Nicht bewilligte Straße“

Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Grundeigentümer selbst haben bislang noch nicht mit Verbotsschildern, Sperrmaßnahmen oder Besitzstörungsklagen gedroht. In einer gemeinsamen Stellungnahme wurden 29 Betroffene aber schon recht deutlich: Es sei nun „zwingend eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen“. Über die verfassungsgesetzlich geschützten Rechte, wie insbesondere das Eigentum, kann politisch „nicht mehr drübergefahren werden“. Und weiter: „Nach Einschätzung der Fachleute wird ein ordentlich geführtes Verfahren mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Es ist selbstverständlich, dass bis dahin wegen der drohenden irreversiblen Schäden der Verkehr auf dieser nicht bewilligten Straße sofort eingestellt werden muss.“

Noch angriffiger formulierte es der Umweltdachverband: „Umfahrung Schützen ohne behördliche Genehmigung – schlimmer geht nimmer!“ titelte er in einer Aussendung. Kernaussage: Laut aktueller Entscheidung seien Errichtung und Betrieb der Straße rechtswidrig.

Das empört das Land: Tatsache sei, „dass die Umfahrung Schützen von der Planungsphase bis zur Eröffnung basierend auf gültigen Bescheiden umgesetzt wurde“, sagte Verkehrslandesrat Helmut Bieler der „Presse“. Auch in verkehrspolitischer Hinsicht verteidigt er das Projekt: „Mehr als zwei Drittel des Verkehrs konnten auf die Umfahrung umgeleitet werden.“ Das habe die Wohnbevölkerung von einer Verkehrslawine entlastet.

Alles halb so schlimm?

„Wenn es nun weitere Auflagen gibt, werden wir diese natürlich erfüllen“, sagt Bieler. Sperren müsse man die Straße aber nicht, meint man beim Land, gestützt auf eine anwaltliche Stellungnahme. Dort heißt es, laut einer Übergangsbestimmung im UVP-Gesetz habe man drei Jahre Zeit, um neu zu entscheiden. Und weiter: Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass auch bei nochmaliger Überprüfung durch die Landesregierung „festgestellt wird, dass für das Vorhaben keine UVP durchzuführen ist und die Voraussetzungen für die Enteignungen vorliegen“. Fazit: Die Aufhebung der Enteignungen sei ärgerlich, weil das Verfahren neu durchgeführt werden müsse. Die Auswirkungen seien aber vernachlässigbar.

Klar, dass das wiederum die Anrainer auf die Palme bringt. Womit sich eines abzeichnet: Der Streit dürfte mit unverminderter Heftigkeit in die nächste Runde gehen. Lothar Stix, Anwalt zahlreicher Grundeigentümer, sagte zur „Presse“, die Rechte der Eigentümer seien nun zivilrechtlich geltend zu machen. Im nach wie vor anhängigen wasserrechtlichen Verfahren haben sich die Eigentümer bereits positioniert und erklärt, einer Bewilligung nicht zuzustimmen – eine weitere offene Baustelle für die Landesregierung. Ja sogar verfassungsrechtliche Fragen könnten sich noch auftun, wenn weitergestritten wird.

Aber vielleicht versucht das Land ja, sich aus dem Schlamassel herauszukaufen und den Eigentümern ihre Grundstücke zu vergolden. Einfach würde das nicht, denn alle Betroffenen müssten darauf einsteigen. Detail am Rande: Auch zwei Esterházy-Stiftungen sind als Grundeigentümer involviert. Und diese hatten mit dem Land nicht immer das beste Einvernehmen.

Auf einen Blick

UVP-Gesetz. Die frühere Rechtslage in Österreich hat vorgesehen, dass Anrainer einen Feststellungsbescheid, wonach für ein Projekt keine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist, nicht bekämpfen konnten und gegen sich gelten lassen mussten. Das widerspricht EU-Recht, wie der EuGH, aber auch der Verwaltungsgerichtshof inzwischen klargestellt haben. Die Problematik war seit Jahren bekannt, aber erst heuer wurde das UVP-Gesetz novelliert, um es dem Unionsrecht anzupassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2016)

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