Bio ist kein Allheilmittel

Frische Milch wird in ein Glas geleert
Frische Milch wird in ein Glas geleert(c) Erwin Wodicka - BilderBox.com (Erwin Wodicka - BilderBox.com)
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In der Milchkrise gelten die Biobauern als Symbol für die Kraft von Qualität, die sich rentiert. Steigende Liefermengen setzen aber auch ihre Preise zunehmend unter Druck.

Wien. „Die Biobauern haben keine Sorgen“, betont Martina Hörmer. Angesprochen auf den Milchmarkt muss die Geschäftsführerin der Rewe-Biomarke „Ja! Natürlich“ vor Journalisten dieser Tage die Quadratur des Kreises vollführen: Einerseits will sie zeigen, dass sich Qualität für die 80 Bauern, die ihre Molkereien mit Bio-Heublumenmilch beliefern, aufgrund des Preiszuschlags von 22 Cent bewährt. Gleichzeitig sendet sie das Signal aus: „Bio ist nicht die Lösung für den ganzen Milchmarkt, sondern eine Alternative.“

Natürlich wirkt es gut, wenn man wie Hörmer sagen kann: „Der Heublumenmilchzuschlag bei uns entspricht dem Preis für konventionelle Milch in anderen Ländern.“ Das trifft etwa auf Exportmeister Norddeutschland zu, wo Molkereien teils nur mehr 17 Cent pro Liter zahlen. Jedoch braut sich angesichts der eingebrochenen Exportmärkte China und Russland, des Auslaufens der EU-Milchquote 2015 und des einhergehenden Preisverfalls durch anhaltende Überproduktion für die Biomilchbauern langsam ein gefährliches Absatzumfeld zusammen.

Im Landwirtschaftsministerium sieht man diese Gefahr noch nicht. Eine Wiedereinführung der europaweiten Quotenregelung lehnt man dort ab, ebenso einen nationalen gesetzlichen Alleingang. „Wir fahren sowieso eine andere Linie und sehen, dass das erfolgreich ist – der Preis für Bio- und Heumilch steigt“, sagt Magdalena Rauscher-Weber, Sprecherin von Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP).

Aktuell bekommen Bauern in Österreich 42 Cent pro Liter Biomilch, 48 pro Liter Bioheumilch. Die saftige Heublumenwiese auf der anderen Seite des Zauns dürfte immer mehr konventionelle Erzeuger zum Umsatteln reizen. In Österreich rutschten sie im April erstmals unter die 30-Cent-Marke. Für eine kostendeckende Produktion benötigt ein Bauer im Alpenraum zumindest 40 Cent.

Deutliche Signale

Andreas Steidl, Qualitätsmanager von „Ja! Natürlich“, ortet Signale, dass die Biomilch bald das Schicksal der restlichen Branche teilen könnte. Die zuliefernden Molkereien berichteten ihm von hohen zweistelligen Zuwächsen in den Anliefermengen. Und im veränderten Futterkaufverhalten lasse sich ein Umdenken bei jenen ablesen, die noch in die ertragreiche Nische wechseln wollen. Bis die Betriebe umgestellt sind, dauert es zwei Jahre. Er rechnet vor: Von den geschätzt 3,5 Mio. Tonnen Milch, die derzeit in Österreich ausgeliefert werden, seien pessimistisch geschätzt 500 Mio. Kilo bio – 2014 waren es noch 430. Man könne sich die extreme Dynamik ausrechnen.

In Deutschland hat der Biomilchpreis im April bereits erstmals leicht nachgegeben – ein grenzübergreifender Gradmesser, da auch dort die Bioproduktion über Branchenschnitt anzieht. Die eindeutige Botschaft der Einzelhändler: Um die hohen Biozuschläge in den nächsten Jahren halten zu können, müsse man die Produktion konstant halten. „Wir sind mit unseren Milchmengen gut bedient. Da wird es keine großen Sprünge mehr geben“, sagt Hörmer. Der Lebensmitteleinzelhandel, wo Bioartikel 15 Prozent des Molkereisortiments ausmachen, vertrage nicht mehr. Sie kontert in Richtung derer, die dem Handel vorwerfen, die Milchpreise nach unten zu diktieren: „Wir sind ein Teil, aber im Verhältnis der kleinste Teil des Markts.“ Etwas mehr als ein Viertel der Biomilch lande in den Regalen, der Rest gehe in Gastronomie, Großhandel, vor allem in den Export. Anders formuliert: Dieser sei für die derzeitige Situation hauptverantwortlich. [ Reuters]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2016)

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