Die Pflanze aus dem Sack

Fritz Schwärz von Stadtbeet.
Fritz Schwärz von Stadtbeet.Stanislav Jenis
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In einer Stadt einen Garten anzulegen, ist nicht einfach. Fritz Schwärz und Zeno Valenti erleichtern mit Stadtbeet das Urban Gardening.

Der Morgenverkehr rollt über den Lerchenfelder Gürtel. Das Vorankommen ist zäh, der Geruch von Abgasen liegt in der Luft, und das konstante Motorengeräusch rauscht in den Ohren. Wer Wien täglich so erlebt, hält es kaum für möglich, dass nur fünf Gehminuten entfernt, in Ottakring, Zwetschkenbäume wachsen, Ribiselstauden erste Früchte tragen und auch die Radieschen schon bereit zur Ernte sind. Stellt sich die Frage, wo ist dieser Garten?

Wer nach Wiese sucht, wird nicht fündig werden. Vielmehr wächst die Pflanzenvielfalt in einem betonierten Innenhof, umgeben von Büros. Aber nicht im Boden wurzeln die Bäume, sie stehen im Sack. Das Projekt trägt den Namen Stadtbeet und ist ein Kleinunternehmen, das Gärten dorthin bringt, wo sie naturgemäß selten zu finden sind – in die Großstadt. Die Wiener, das wissen die Betreiber des Geschäfts, Friedrich „Fritz“ Schwärz und Zeno Valenti, lieben es grün. Doch wer hat schon eine Rasenfläche, auf der er nach Belieben Gemüse, Kräuter oder eben ganze Bäume anpflanzen kann? Und selbst wenn, wie kommt der Stadtmensch zur Hainbuche?

Diese Fragen stellten sich Schwärz und Valenti schon während ihres Studiums an der Universität für Bodenkultur. Dort trafen der Salzburger und der Südtiroler in ihrem ersten Semester am Institut für Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur aufeinander. Sie wurden beste Freunde und teilten ein gemeinsames Problem: Nirgendwo fanden sie im städtischen Umfeld die richtigen Produkte, um ihre Balkone und Terrassen zu begrünen. Gesucht waren vor allem Pflanzensäcke als Alternative zum herkömmlichen Blumentopf. Eben jene Säcke, in denen es mittlerweile im Innenhof vor ihrem Geschäft grünt und blüht.

Stadtbeete sind Komplettsysteme, bestehend aus Pflanzgefäß, Wasserspeichersystem, Pflanzerde und ausgesuchten Pflanzenkombinationen. Ein Gemüsebeet ist ab 68 Euro zu haben, ein Baumbeet kostet um die 170 Euro. Im April 2015 zogen die beiden passionierten Gärtner Schwärz und Valenti mitsamt der Pflanzen und Gartenprodukte, die sie zum Verkauf anbieten, in den 16. Bezirk. „Davor waren wir im Keller“, erklärt Schwärz. „Das heißt, wir haben im Keller gearbeitet und hatten schon einen Online-Shop. Die Pflanzen haben wir bei uns zu Hause zwischengelagert und dann direkt zu den Kunden gebracht.“

Konkret bedeutet „zum Kunden bringen“, dass Schwärz sein Lastenfahrrad belädt und losradelt. Bis zu 100 Pflanzen könne er so transportieren, oder einen kleinen Baum mit bis zu 100 Kilo. Neben dem Verkauf unterschiedlichster Gewächse übernimmt Stadtbeet auch die Planung von Stadtgärten oder führt ein Pflanzenservice durch. Immerhin ist nicht jeder ein Urban-Gardening-Profi wie die beiden Landschaftsplaner. Dennoch meint Schwärz: „Ich glaube zwar, dass es so etwas wie den berühmten grünen Daumen gibt, aber ich glaube nicht an das Gegenteil, den Pflanzenvernichtungs-Daumen sozusagen.“ Wenn nicht am Hobbygärtner, woran liegt es dann, wenn Gemüse einfach nicht wachsen möchte oder sich die Blätter schon im Hochsommer gelb verfärben? Meistens, sagt der Fachmann, sind zwei Faktoren entscheidend: Entweder es scheitert an der schlechten Qualität der Pflanze, oder der Standort ist nicht gut gewählt. Trifft beides zu, würde sogar ein geübter Gärtner an den Rand der Machbarkeit stoßen.

Viel von den Großeltern gelernt. Natürlich spielt auch die Erfahrung mit der Botanik und die Liebe zur Natur eine Rolle. Schwärz ist auf einem Bauernhof im Salzburgerland aufgewachsen. Schon die Großeltern pflegten dort liebevoll ihren Garten. Von ihnen und auch von seiner Mutter habe er schon als Bub viel über den Umgang mit Pflanzen gelernt. Seinen Kindheitserinnerungen ist seine besondere Vorliebe zu Ribiselsträuchern und Zwetschkenbäumen geschuldet. Der Großvater nämlich bezahlte seinen Enkel für das Aufklauben von Zwetschken, in weiterer Folge widmete sich der Opa dann der Schnapsbrennerei. Großmutter und Mutter bauten unterdessen Ribisel in großer Menge an. „Mit der Beere verbindet mich ja eher eine Hassliebe“, sagt Schwärz. „Ich musste die Ribiseln immer ernten, durfte sie aber nicht essen, weil ja Marmelade daraus gemacht werden musste.“

Für jemanden, der die Natur so schätzt, scheint Wien aber doch auf den ersten Blick ein schlecht gewählter Wohnort zu sein. Schwärz sieht das anders. „Ich hätte nur hier oder in München studieren können. Und Wien und Garten sind ja kein Widerspruch.“

Die Kunden seien zu einem großen Teil junge Familien. Ohnehin unterscheiden die Betreiber zwei Arten von Pflanzenkäufern. Die einen haben sich vorher schon informiert, sehen sich alles genau an und lieben den Austausch mit den Fachmännern. Die Pragmatiker unter den Kunden hingegen schätzen das Know-how der Gärtner dahingehend, dass sie ihnen die Planung und den Aufbau des Stadtgartens vollkommen überlassen. Schwärz ist beides recht, denn: „Am Liebsten bin ich eh allein mit den Pflanzen“, sagt er und lacht.

Von April bis Juni erfordern die Gewächse die gesamte Aufmerksamkeit der Stadtbeet-Gründer. Aber was machen Gärtner eigentlich nach der Hauptsaison? „Winterschlaf!“, antwortet Schwärz. Tatsächlich wird ab August nicht mehr gepflanzt, dann ist Zeit für Urlaub, oder, im Fall des Junggärtners, für eine ausgiebige Radtour mit Zelt bis nach Kroatien. Um die Pflanzen braucht er sich in dieser Zeit nicht zu sorgen. Zur Sicherheit haben er und Valenti ein ausgeklügeltes, automatisches Bewässerungssystem entwickelt, das die Pflanzen versorgt.

Pflanzen in der Stadt

Mit Stadtbeet haben Fritz Schwärz und Zeno Valenti ein Unternehmen gegründet, das Wienern das Urban Gardening erleichtern soll.

Ihre Pflanzen wachsen in erster Linie in Pflanzensäcken als Alternative zu herkömmlichen Blumen- und Pflanzengefäßen. Stadtbeete sind Komplettsysteme, bestehend aus Pflanzgefäß, Wasserspeichersystem, Pflanzerde und ausgesuchten Pflanzenkombinationen. Ein Gemüsebeet ist ab 68 Euro zu haben, ein Baumbeet kostet um die 170 Euro. www.stadtbeet.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2016)

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