Ein Gewerbeschein für Finger, einer für Füße

Symbolbild Waschmaschine
Symbolbild WaschmaschineClemens Fabry
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Es wird leichter, sich in Österreich selbstständig zu machen. Glaubt man. Das Gegenteil dürfte stimmen.

Es war eine nette Idee, die Niko B. vor vielen Jahren hatte: Er wollte schnell und günstig helfen, wenn jemand etwa seine Waschmaschine nicht selbst anschließen kann, Probleme beim Einstellen des TV-Geräts oder des Satellitenempfängers hat, ein Loch in der Wand reparieren oder einen Elektroherd anschließen muss. Alles Dinge, die viele Frauen und Männer selbst machen können, aber viele eben auch nicht. Und hier wäre Niko B. gekommen.

Wäre. Denn als er der Wirtschaftskammer seine Idee vortrug, erklärte diese ihm, was er dazu alles benötige: einen Gewerbeschein als Installateur, einen als TV-Techniker, als Maurer, als Elektriker, als Maler, . . .

Das war, wie geschrieben, vor vielen Jahren. Mittlerweile ist alles besser geworden, nicht mehr für jede Tätigkeit benötigt man einen Gewerbeschein. Oder doch?

Ganz offensichtlich, schlussfolgert das Büro des Neos-Abgeordneten Sepp Schellhorn. Der Mandatar wollte vom Wirtschaftsminister in einer parlamentarischen Anfrage unter anderem detailliert Auskunft über die Gewerbeberechtigungen und Gewerbescheine in Österreich.

Und hier zeigt sich eine interessante Entwicklung: Während die Zahl der Personen mit Gewerbeberechtigungen von 2004 bis 2015 nur um elf Prozent gestiegen ist (auf 605.000), hat die Zahl der Gewerbescheine im selben Zeitraum um 34 Prozent zugenommen (2015: 795.000). Grund könne nur mehr Bürokratie und mehr Vorschriften sein, glaubt man in Schellhorns Büro und bringt als Beispiel einen Gebäudereiniger: Er benötigt einen Gewerbeschein für die Innenreinigung, einen weiteren für die Außenreinigung, und wenn er Denkmäler reinigen will, benötigt er auch dafür einen. Die Nageldesignerin darf zwar Fingernägel lackieren, aber nicht Fußnägel. Ein Florist darf einzelne Blumen verkaufen, will er aber einen gebundenen Strauß verkaufen, benötigt er dafür einen Gewerbeschein.

Niko B. hat seinen Traum von der Selbstständigkeit übrigens aufgegeben, er arbeitet jetzt beim Magistrat.

E-Mails an: norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2016)

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