Gesundheitswirtschaft: Verdienen Ärzte zu wenig?

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THEMENBILD: KRANKENHAUS / ?AeRZTEAPA/HELMUT FOHRINGER
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Immer mehr Ärzte verdienen Geld mit lukrativen Nebengeschäften. Dies sorgt für Kritik – wie ein Streit zwischen den Augenoptikern und der Ärztekammer zeigt.

Wien. Zwischen den Augenoptikern und der Ärztekammer ist ein Streit ausgebrochen. Anlass ist eine Kundmachung der Ärztekammer zum Thema „Arzt und Öffentlichkeit“. Darin heißt es, dass Ärzte ihre Patienten „über Arzneimittel, Heilbehelfe und sonstige Medizinprodukte sowie über deren Hersteller und Vertreiber“ informieren dürfen. Die Information müsse sachlich und wahr sein und dürfe das Ansehen der Ärzteschaft nicht beeinträchtigen. „Das ist ein Freibrief für Korruption“, sagt Anton Koller, Bundesinnungsmeister der Augenoptiker in der Wirtschaftskammer Österreich, zur „Presse“. Er befürchtet, dass Augenärzte ihre Patienten künftig über Brillen und Kontaktlinsen von nahestehenden Optikern informieren.

In der Causa laufen laut APA-Informationen immer wieder Gerichtsverfahren. Geklagt haben Optiker, weil Ärzte ihren Patienten bestimmte Optiker empfohlen haben. Bei dem Konflikt geht es um viel Geld. In Österreich gibt es 1500 Optiker, die schätzungsweise 500 Millionen Euro im Jahr umsetzen.

Zu den kleinen Optikern kommen große Ketten wie Fielmann, Hartlauer und Pearle. Gleichzeitig steigt die Zahl der Augenärzte, die neben ihrer Ordination auch ein Institut für Brillenoptik und Kontaktlinsen betreiben. Die Ärztekammer weist die Korruptionsvorwürfe zurück. Ein Arzt dürfe auch künftig keine Empfehlung geben und keine Werbung für einen Optiker machen. Ein Arzt dürfte auch keine Provision von einem Optiker bekommen, betont Martin Stickler, Leiter der Pressestelle der Österreichischen Ärztekammer.

Die Auseinandersetzung zeigt, wie sehr sich das Berufsbild des Mediziners verändert. Viele Ärzte im niedergelassenen Bereich verstehen sich als selbstständige Unternehmer und setzen auf lukrative Nebengeschäfte.

Da gibt es Zahnärzte, die ihren Patienten zweimal pro Jahr eine professionelle Mundhygiene zum Preis von 100 Euro empfehlen.

„Ein weiterer Klassiker ist ein Arzt, der homöopathische Dienstleistungen anbietet“, sagt Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer. Allein eine homöopathische Diagnostik kann mehrere Stunden dauern. Dafür verlangen die Ärzte von ihren Patienten ein entsprechendes Honorar.

„Das System ist mitschuldig“

Laut Pichlbauer seien immer mehr Ärzte gezwungen, Produkte und Dienstleistungen im kassenfreien Raum anzubieten. Dies hänge damit zusammen, dass die Einrichtungen für Ordinationen immer teurer werden. Hinzu kämen viele weitere Kosten wie beispielsweise für Assistenten. Auch der bürokratische Aufwand werde immer mehr. „Die Honorare durch die Krankenkassen sind aber nicht im gleichen Ausmaß gestiegen“, sagt Pichlbauer. Seiner Ansicht nach sei das System mitschuldig an dieser Entwicklung. „Die Nebengeschäfte werden augenzwinkernd toleriert“, so Pichlbauer. Viel besser wäre es seiner Ansicht nach, wenn die Ärzte von den Krankenkassen angemessen bezahlt würden.

In Österreich geben immer mehr Mediziner den Kassenvertrag zurück und arbeiten als Wahlarzt, weil sie dann die Honorare frei bestimmen können.

Um viel Geld ging es auch im jüngsten Streit zwischen der Apothekerkammer und der Ärztekammer um lukrative Hausapotheken. Auf dem Land dürften Ärzte Medikamente verkaufen und sich damit ein Zubrot verdienen. Der „Presse“ liegen Unterlagen aus dem Burgenland vor, wonach ein Arzt mit einer Hausapotheke einen Nettoertrag von 71.000 Euro pro Jahr erzielte.

Trotz Protests der Apothekerkammer lockerte die Regierung vor Kurzem die Vorgaben für ärztliche Hausapotheken. Kritik kommt vom Institut für Höhere Studien: Die Gesetzesänderung sei ein falsches Instrument zur Attraktivierung von Landordinationen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2016)

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