Leitl: „Ich warte auf eine Einladung der Regierung“

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl.
Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung verteilen erste Vorschusslorbeeren an die Regierung – und wollen den „New Deal“ mitgestalten.

Wien. Alexander Van der Bellen ist Bundespräsident, die Regierung unter dem Bahnmanager Christian Kern entdeckt die Einigkeit – und die Wirtschaftsvertreter wittern Morgenluft. Die Bundespräsidentenwahl sei ein „heilsamer Schock“ für die Regierungsparteien gewesen, vermutet Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung. Eines sei mittlerweile wohl auch auf dem Ballhausplatz angekommen: Weitermachen wie bisher ist keine Option.

Ähnlich formulierten das am Dienstag auch SPÖ-Kanzler Kern und sein Koalitionspartner, der ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner. Das vorgelegte „Fünf-Punkte-Programm“ sei „von den Überschriften her schon das, was wir uns vorstellen“, sagte Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl. Nun müssten so schöne Schlagworte wie „Bürokratieabbau“ oder „Wirtschaft und Arbeitsmarkt“ auch mit Leben erfüllt werden. Aber zumindest sei die Ernsthaftigkeit der Lage erkannt worden – und das allein stimme schon optimistisch.

Der Optimismus hängt freilich an einem entscheidenden Detail: Dass die Regierungspartner in ihrem neu entdeckten Tatendrang nicht nur die Analyse der Probleme, sondern auch deren Lösung ähnlich sehen wie die Vertreter der Wirtschaft – und nicht etwa so, wie Gewerkschaft und Arbeiterkammer die Wirtschaftsflaute und Jobkrise beenden wollen.

Halbierung der KöSt gefordert

Mit einer 35-Stunden-Woche, einer sechsten Urlaubswoche oder höheren Ausgaben des Staates könnten sich Kapsch und Leitl auch unter Kanzler Kern nicht anfreunden. Sie fordern wie eh und je einen schlanken Staat, die Reduktion der Abgabenlast, eine raschere Integration der Migranten in den Arbeitsmarkt und ein Entrümpeln des Arbeitsrechts, das in vielen Punkten die „Menschen so sehr behindert wie die Unternehmen selbst“, sagte Georg Kapsch.

Rasche Änderungen erwarten sich die beiden Wirtschaftsvertreter auch bei der Steuer- und Abgabenbelastung der Betriebe. Nur vier Staaten in der EU verlangten mehr von ihren Unternehmen. Sie fordern eine Halbierung der Körperschaftssteuer für nicht ausgeschüttete Gewinne von 25 auf 12,5 Prozent. Das solle Eigenkapital und Innovationskraft der Firmen stärken. Kostenpunkt: 2,3 Milliarden Euro im Jahr. Finanziert würde das je zur Hälfte durch höheres Wirtschaftswachstum und Investitionen sowie durch Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben. „Wir brauchen jetzt Menschen in der Regierung, die zu harten Reformen bereit sind“, so Kapsch. „Wir werden alle quietschen, aber wir werden es mittragen.“

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ließ freilich im Voraus wissen, dass er sich nicht „gleich wieder einen Rucksack an Forderungen“ umhängen lassen wolle. Seinen Parteikollegen Christoph Leitl beeindruckte das wenig. „Ich warte selbstverständlich auf eine Einladung der Regierung. Wir wollen genau wissen, wie dieser ,New Deal‘ aussehen soll.“ (auer)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2016)

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