Wiener Technologieunternehmer: „Ich schätze den Standort sehr“

Hannes Bardach
Hannes Bardach(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Hannes Bardach machte aus dem Wiener Technologieunternehmen Frequentis einen Weltmarktführer. Dem Gejammer um den Industriestandort schließt er sich nicht an.

Die Presse: Herr Bardach, steigen Sie mit einem sicheren Gefühl ins Flugzeug?

Hannes Bardach: Ja. Für mich ist Fliegen wie Straßenbahnfahren. Ich weiß, mit welch mathematisch geringer Wahrscheinlichkeit da etwas passiert.

Weil Flugsicherung das Kerngeschäft Ihres Unternehmens ist?

Ja, und es ist eine anspruchsvolle Technik, und ich passe sehr gut mit meinen Eigenschaften dazu.

Die da wären?

Gründlichkeit, gute Planung, ich habe gern alles abgesichert. Ein Nein kenne ich nicht. Wenn einer sagt: Nein, das ist technisch unmöglich, antworte ich: Alles ist baubar.

Das Thema Luftfahrt kam 1955 zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte.

In der Nachkriegszeit hat Frequentis alles gebaut, was die junge Republik brauchte. Der Gründungsauftrag war der Aufbau einer Rundfunkstation in der französischen Besatzungszone in Wien.

1980 kam mit dem Großauftrag der Austro Control der Fokus Flugsicherung.

Und danach erhielten wir einen Auftrag für die deutsche Flugsicherung – als „kleine Firma mit Werkstättencharakter“, so hieß es damals in einem Gutachten. 1990 war klar: Die Flugsicherung wird unser Kerngebiet. Damals gewannen wir einen Auftrag der Eurocontrol, der europäischen Flugsicherung.

Noch vor dem EU-Beitritt Österreichs also.

All diese Handelshemmnisse, die es damals gab, sind heute einfach unvorstellbar. Wir brauchten eine Firma in Deutschland, um uns überhaupt um den Eurocontrol-Auftrag bewerben zu können. Keiner wollte etwas mit Zollangelegenheiten zu tun haben. Wir brauchten überall Ersatzteillager, weil die Verzollung so lang gedauert hätte. Und heute ist jedes Ding innerhalb von 24 Stunden an jedem Ort Europas. Die europäische Öffnung hilft uns als Technologiefirma also enorm.

Inwiefern?

Wir wurden Marktführer in Europa in unserer Nische, expandierten ab 1995 nach Asien und so weiter. Da gab es Jahre mit sehr hohen Wachstumsraten, einmal hatten wir 70 Prozent Wachstum. Der erste Rückschritt kam erst nach dem 11. September 2001. Diese Anschläge waren für die gesamte Luftfahrtbranche ein Schock. Aufträge wurden gestoppt, wir richteten uns strategisch neu aus und gingen ab 2002 auch daran, an Polizei, Eisenbahn, Küstenschifffahrt zu liefern.

Profitieren Sie von der Terrorangst?

Es gibt ein gestiegenes Sicherheitsbedürfnis. Der Public-Safety-Bereich ist ein sehr wichtiger im Moment. Wir statten jetzt viele Einsatzzentralen aus.

Stichwort Videoüberwachung, bei der Sie im Moment einen Großauftrag der Londoner Metropolitan Police erfüllen. Was halten Sie selbst denn davon, auf der Straße gefilmt zu werden?

Das ist eine interessante Sache, Videoüberwachung wird kulturell unterschiedlich empfunden. Ich habe vor dem Auftrag für die Londoner Polizei Lehrbücher darüber gelesen. In England ist es so, dass sich Menschen ohne Kameraüberwachung unsicher fühlen. Besonders in zentralen Lagen geht durch Videoüberwachung Kriminalität zurück – ganze Viertel sind dadurch wieder belebt. Zuvor hatte sich keiner mehr getraut, nachts hinauszugehen. Hingegen haben in Deutschland noch viele Menschen ein sehr negatives Gefühl, wenn sie an Überwachung denken – es hängt nun einmal sehr stark von der Vorgeschichte eines Landes ab: England hatte immer eine sehr liberale, demokratische Regierung, Deutschland hatte auch noch in jüngster Zeit, allein mit der DDR-Staatssicherheit, Regimes, die Leute ausspioniert haben. Ich selbst habe aber eine positive Einstellung zur Videoüberwachung.

Weil Sie selbst überwachen?

Nein, weil ich weiß, dass Kriminalität dadurch eingeschränkt werden kann. Die Videoüberwachung ermöglicht das.

Man hat das Gefühl, Frequentis ist im Ausland bekannter als in Österreich.

Das kommt wohl davon, dass wir als Nischenunternehmen nur ein paar Prozent unseres Umsatzes hier machen. Unsere Technologie hat keine Breitenwirkung. Dabei sollen junge Ingenieure wissen: Da gibt es eine international tätige Firma, die hat ihr Headquarter in Wien und liefert in die ganze Welt.

Haben Sie jemals überlegt, Ihr Headquarter zu verlegen?

Ich schätze den Standort sehr. Wien hat gute Universitäten – als Unternehmen muss man Talente an sich ziehen. Wien ist ein absolutes Asset. Es ist die Kultur der Österreicher, die sehr verträglich ist mit vielen anderen Kulturen, wir können sowohl mit West und Ost als auch mit Arabern und Amerikanern. Die Österreicher kommen überall gut an. Solange die Austrian die Flüge nicht zu sehr einschränkt, haben wir hier eine sehr gute Basis.

Andere Unternehmer machen sich um den Industriestandort Sorgen. Und Sie?

Für Frequentis – nein. Aber natürlich wäre eine positive Stimmung wichtig. Vor 20 Jahren wurde alles, was an Neuem passiert ist, sehr skeptisch betrachtet. Das hat sich geändert. Innovation wird heute positiv gesehen. Um etwas zu bewegen, braucht man auch ein positives Klima.

ZUR PERSON

Hannes Bardach wurde 1983 Geschäftsführer des Wiener Unternehmens Frequentis, das er davor als Berater betreut hatte. Unter Bardach entwickelte sich die 1947 gegründete Firma von einem kleinen Betrieb zu einem Weltmarktführer; das Kerngeschäft von Frequentis sind heute Kommunikationsanlagen, speziell für den Flugverkehr, und die Ausstattung von Einsatzzentralen, etwa für Polizei, Feuerwehr oder Rettung. 1986 hatte Frequentis 36 Mitarbeiter – heute sind es rund 1500. Das Ebit des Unternehmens lag 2015 bei 12,5 Mio. Euro. [ Clemens Fabry ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2016)

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