Nowotny: "Insolvenzrecht für Länder ist sinnvoll"

„Meine Lieblingsreform ist das zweite verpflichtende Kindergartenjahr, das mittelfristig eine positive Wirkung entfalten wird“, sagt Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny.
„Meine Lieblingsreform ist das zweite verpflichtende Kindergartenjahr, das mittelfristig eine positive Wirkung entfalten wird“, sagt Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ewald Nowotny fürchtet keine Hacker und will auch das Bargeld beibehalten. Als Folge des Hypo-Skandals sollte es ein Insolvenzrecht für Bundesländer geben, so der OeNB-Chef.

Die Presse: Die Nationalbank feiert heuer ihren 200. Geburtstag, aber wie lang wird es sie noch geben?

Ewald Nowotny: Ich bin ganz sicher, dass wir auch das 300. Jubiläum der OeNB feiern werden. Ich nehme an, dass dann eine Gouverneurin an der Spitze der Bank steht.

Und Bargeld verwalten wird dann keine Aufgabe mehr sein?

Bargeld wird auf jeden Fall eine Aufgabe sein. Die Österreicher ändern ihre Präferenzen nicht so rasch. Solange es die Bevölkerung wünscht, wird es Bargeld geben.

Kann es irgendwann mal sein, dass die Bevölkerung sanft dazu gedrängt wird, auf unbare Zahlungsmittel umzusteigen?

In Zentraleuropa gibt es eine große Präferenz für Bargeld, und die ist für uns relevant. Wir sind gerade dabei, eine neue Bargeldserie herauszubringen. Ich denke, das ist ein gutes Argument für alle, die immer Angst haben, dass Bargeld verschwindet.

Auch unbares Zahlen ist ja nicht automatisch sicherer. Was kann man gegen Hackerangriffe auf Zentralbanken unternehmen?

Wir haben fast jeden Tag irgendeinen Angriff, der an unseren Mauern abprallt. Die Botschaft, die ich von der IT-Abteilung bekomme: Es wird versucht, aber wir sind gerüstet.

Woher kommen die Angriffe?

Es gibt keine eindeutige Richtung. Zum Teil sind das sehr amateurhafte Angriffe, die das vielleicht auch als Spielerei machen.

Das lässt Sie ruhig schlafen?

Ja, man muss eben tun, was man kann. Aber man soll es auch nicht überschätzen. Eine falsche geldpolitische Entscheidung ist kostspieliger als ein Hackerangriff.

Würden Sie die Gefahr „Hacker und Unbares“ als größer bewerten als die Gefahr „Bargeld und Terrorfinanzierung“?

Man kann das schwer vergleichen. Die Rolle des Bargelds als Helfer für Terrorismus sollte man nicht überschätzen, weil es dort immer wieder Alternativen gibt. Wenn der 500er ausläuft, dann wird sich das Interesse an 1000-Franken-Noten verstärken. Das Risiko ist weiter weg als ein unmittelbarer, professioneller Hackerangriff.

Tragen Sie die expansive Geldpolitik von Mario Draghi in allen Punkten mit?

Die Geldpolitik, die gefahren wird, unterstütze ich. Jede Alternative wäre sehr gefährlich. In einer Zeit, in der ich niedrige Inflationsraten habe und schwaches Wachstum, brauche ich auch eine expansive Geldpolitik.

Wird es irgendwann auch Negativzinsen für Privatkunden geben?

Dazu wird es meines Erachtens für Privatkunden nie kommen. Für Großeinleger gibt es das dagegen ja schon, in der Schweiz etwa.

Sehen sich die EZB und die OeNB ausreichend von der Politik unterstützt, um Geldpolitik auch wirksam werden zu lassen?

Wir sehen als Notenbank, dass es bestimmte Bereiche gibt – speziell in der Strukturpolitik –, in denen wir uns raschere Fortschritte vorstellen könnten. Wir sehen auch, dass wir im Bereich der Bankenpolitik – also der Finanzstabilität – erheblichen Reformbedarf haben.

Was müsste der von Bundeskanzler Christian Kern angekündigte New Deal unbedingt enthalten?

Ich bitte um Verständnis, dass ich als unabhängiger Gouverneur die Pläne des neuen Kanzlers nicht im Detail kommentieren kann. Aber langfristig ist der Bildungsbereich wohl am wichtigsten. Meine Lieblingsreform ist das zweite verpflichtende Kindergartenjahr, das mittelfristig eine positive Wirkung entfalten wird. Kurzfristig sehen wir, dass die Investitionen bei den Sachgütern zwar anziehen, erstaunlicherweise gibt es im Wohnbau aber keinen wirklichen Durchbruch.

Muss die Bankenabgabe geändert werden?

Es ist unbestreitbar, dass wir in Österreich in der Kreditwirtschaft eine starke Belastung haben. Umgekehrt muss der Staat auch versuchen, sein Budget in Ordnung zu halten. Die Notenbank hat ein Interesse an einer möglichst starken Kapitalausstattung der Banken. Da ist aus unserer Sicht alles positiv, was diese Kapitalausstattung erleichtert.

Gibt es eine Schätzung, wie viel die Hypo Alpe Adria die Steuerzahler insgesamt kosten wird?

Bis jetzt sind etwa sieben Milliarden Euro in die Bank geflossen. Das ist aber noch nicht alles. Man muss jetzt warten, ob das Angebot der Regierung auch wirklich angenommen wird. Dann ist die Verwertung der Assets durch die Heta natürlich entscheidend. Das kann noch lang dauern, und am Ende wird man dann sehen, was es tatsächlich gekostet hat.

Welche Schlüsse soll der Gesetzgeber aus dem Hypo-Skandal ziehen?

Der wichtigste Schluss: Garantien sind gefährlich. Wenn man sie abgibt, glaubt man, dass sie nie schlagend werden. Aber sie werden oft schlagend. Hier braucht es eine klare Darstellung im Rahmen des Bundeshaushaltsrechts und nach Möglichkeit auch eine Begrenzung der Garantievergabe von Ländern und Gemeinden.

Wie müsste das begrenzt werden?

Erstens: Aus der Höhe des Budgets ergibt sich auch die Möglichkeit, im Notfall für Garantieleistungen einzustehen. Zweitens ist es unter Umständen problematisch, wenn Banken in öffentlichem Eigentum sind. Die ungebremste Expansion der Hypo Alpe Adria war Ergebnis eines massiven politischen Einflusses. Umgekehrt aber gab es keine wirklich effektive Kontrolle, intern nicht durch den Aufsichtsrat und die Wirtschaftsprüfer. Vor allem hat aber das Land Kärnten als Eigentümer völlig in der Kontrolle versagt.

Würden Sie nach der Erfahrung mit Kärnten auch für ein Insolvenzrecht für Länder votieren?

Wenn sich der Staub der Hypo Alpe Adria wieder gelegt hat, dann halte ich es für sinnvoll, ein Insolvenzrecht für Länder zu machen. Es ist schon problematisch, dass auf der einen Seite Länder Schulden aufnehmen können und andererseits der Bund de facto immer wieder zur Stabilisierung herangezogen wird.

AUF EINEN BLICK

Die Nationalbank feiert heute ihren

200. Geburtstag. Dieses Interview hat „Die Presse“ gemeinsam mit der „Kleinen Zeitung“, der „Tiroler Tageszeitung“, den „Vorarlberger Nachrichten“, den „Salzburger Nachrichten“ und den „Oberösterreichischen Nachrichten“ geführt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2016)

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