Wohnbau könnte ohne "überzogene Normen" spürbar billiger sein

(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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In den letzten zehn Jahren seien die Errichtungskosten im Wohnbau um 40 Prozent geklettert, kritisieren Vertreter der Immobilienwirtschaft.

Vertreter der Wohnbau- und Immobilienwirtschaft plädieren für ein "Ausmisten" der von ihnen vielfach als überzogen empfundenen Vorgaben, damit die Baukosten spürbar gesenkt werden können. Bei einem Symposium verwiesen sie auf Bestimmungen zu Autoabstellplätzen, Barrierefreiheit, Schall- und Brandschutz, aber auch energetisch-technischen Standards.

In den letzten zehn Jahren seien die Errichtungskosten im Wohnbau um 40 Prozent auf 2.000 Euro pro Quadratmeter geklettert, wobei ein Drittel des Anstiegs durch Qualitätsstandards verursacht sei, sagte der Obmann des Österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen (gbv), Karl Wurm. Auf die Quadratmetermiete umgelegt bedeute dies allein durch die Standards eine Verteuerung um ein Euro pro Quadratmeter auf fast acht Euro je Quadratmeter. In Niederösterreich werde schon über eine mögliche Obergrenze für die reinen Baukosten von 1.500 Euro/Quadratmeter diskutiert, so Johannes Pressl, Vizepräsident des nö. Gemeindebunds und Bürgermeister von Ardagger.

Bei den ÖNORMEN sei "die Kostensensitivität noch verbesserungswürdig", betonte gbv-Obmann Wurm. Bei jeder neuen Norm sollte gefragt werden, wem sie nütze, was sie koste und wer das zu zahlen habe. Die Direktorin des Austrian Standards Institute, Elisabeth Stampfl-Blaha, wies die dem Normungsinstitut zugewiesene "Sündenbock"-Rolle bei zu teurem Wohnen zurück.

Nur zehn Prozent der Normen aus Österreich

Weniger als fünf Prozent der Normen seien wirklich als verbindlich erklärt, außerdem komme nur ein Zehntel dieser Normen insgesamt aus Österreich selbst, der Rest seien internationale Vorgaben, "um am europäischen Binnenmarkt teilnehmen zu können", so Stampfl-Blaha. Sie bekannte sich grundsätzlich zu einem "kosten-/nutzenbewussten" Bauen und betonte, dass vom Austrian Standards Institute keine Normen "gemacht" würden: "Wir organisieren nur, dass Regeln geschaffen werden können." An der Normwerdung könne sich jeder über die ASI-Homepage beteiligen: "Wenn man etwas verhindern will, das Geld kostet, muss man sich in die Phase des Entwurfs einklinken." In die Komitees seien alle Stakeholder eingebunden, in den Gremien säßen 20 bis 60 Leute, und dort herrsche Einstimmigkeitsprinzip. Laut Stampfl-Blaha gelten allein im Bausektor knapp 3000 Normen, davon fast 600 österreichische, der Rest internationale.

Hans Jörg Ulreich, Bauträgersprecher im WKÖ-Fachverband der Immobilientreuhänder und seit 35 Jahren im "Geschäft", nannte als größten kostentreibenden Faktor die Stellplatzvorschriften. Bei Innenstadtprojekten könnten darauf bis zu 25 oder 30 Prozent der Baukosten entfallen, daher gehöre die Stellplatzpflicht ganz abgeschafft - "Berlin, Hamburg, Basel haben es schon gemacht". Laut gbv-Obmann Wurm kostet ein Tiefgaragenplatz 18.000 Euro, "und viele stehen leer".

Für drei bis fünf Prozent der Baukosten machte Ulreich den Brandschutz verantwortlich; er betonte aber, dass hier differenziert werden müsse. Erst einmal sei das Risiko zu erheben - und das Risiko, in der Wohnung zu verbrennen, sei so niedrig wie einem Mord zum Opfer zu fallen. Eine Druckbelüftungsanlage koste 40.000 bis 80.000 Euro pro Stiegenhaus, im Schnitt zwei Prozent der Baukosten, mache in der Wartung aber ein Viertel des Hausbetriebskosten aus - obwohl die Feuerwehr mit einer mobilen Belüftungsanlage ohnedies binnen fünf Minuten da sei.

Wiens Wohnbaustadtrat Michael Ludwig verwies am Donnerstagabend darauf, dass nach der neuen Bauordnung in der Bundeshauptstadt nur noch ein Stellplatz pro 100 Quadratmeter Wohnfläche vorgeschrieben ist und nicht mehr je einer pro Wohnung - oder gar bis zu drei pro Wohneinheit, wie teils regional in Österreich. In Niederösterreich debattiere man bei einem Projekt gerade auf Gemeindeebene über zwei Stellplätze pro Wohneinheit, jedoch für eine Einrichtung für betreutes Wohnen, also wohl eine Übertreibung, meinte gbv-Obmann Wurm dazu.

Gemeinschaftsräume oft "überbordend" angelegt

Der Gemeinnützigen-Obmann rechnete vor, dass sich 100 Euro Baukosten pro Quadratmeter mehr oder weniger dreimal so stark auswirken als 100 Euro pro Quadratmeter bei den Grundkosten. Vor allem die Baunebenkosten hätten einen starken Effekt, da sie sich oft an den Baukosten orientierten. Das eine oder andere Ausstattungsmerkmal könne also durchaus zurückgefahren werden, zeigte er sich überzeugt. Das gelte auch für Gemeinschaftsräume in den Wohnhausanlagen, die oft "überbordend" angelegt, vielfach aber ungenutzt seien. Zudem gebe es im geförderten Wohnbau "überzogene" energetisch-technische Standards, die häufig strenger - und damit auch teurer - als bei nichtgeförderten Bauten seien. "Und beim Schallschutz sind wir EU-Musterschüler", so Wurm.

Bausachverständiger Matthias Rant, Präsident des Hauptverbands der Gerichtssachverständigen, forderte eine höhere Bauleistung, um mehr kostengünstige Wohnungen zu erhalten: "Das Beste wäre, mehr zu bauen als wir brauchen. Das Angebot müsste größer als die Nachfrage sein." Das sei eine politische Frage. Ein Kostensenkungspotenzial von 5 bis 15 Prozent sieht Rant bei "Dingen, die wir nicht brauchen, von denen niemand etwas hat", etwa der zu langen Dauer von Widmungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren. Die Bauträgerabwicklung gehöre optimiert, Planen und Bauen stärker koordiniert. Auch er plädierte dafür, das "Vorschriften-Unwesen" und den zu hohen "Flow" an Normen anzugehen: "Österreich wird zu Tode verwaltet." Sinnvolle Qualitätskontrollen könnten die Baumängel eindämmen, die allein ein bis drei Prozent kosten würden.

(APA)

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