Welche Nachteile ein Brexit für Österreich bringt

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Einen britischen EU-Austritt wird auch die heimische Wirtschaft spüren. Neue Risken wird es für Arbeitssuchende, Studenten, Tourismus und Politik geben.

Großbritannien wagt den Schritt. Die Briten stimmten am Donnerstag für einen Ausstieg aus der Europäischen Union. Die Folgen eines Brexit werden nicht nur in Großbritannien, sondern auch in den anderen Mitgliedstaaten spürbar. Denn in einem weitgehend funktionierenden Binnenmarkt reißt jeder Austritt eine Lücke in das Gefüge des Handels, der Investitionen und in die politische Balance. Auch Österreich ist davon betroffen. Heimische Exportunternehmen könnten an der Segmentierung des EU-Binnenmarkts leiden. Ähnliche Auswirkungen sind in der Politik zu erwarten. Österreich würde sich in der EU noch weniger durchsetzen, weil durch einen Austritt des Königreichs vor allem die anderen großen Staaten an Einfluss gewinnen.

Eine Übersicht zu den Auswirkungen auf Österreich:

Nettobeitrag

Österreich wird nach einem Ausscheiden Großbritanniens mehr Mitgliedsbeitrag an Brüssel abliefern müssen. Großbritannien ist nämlich trotz seines ausgehandelten Rabatts Nettozahler – zuletzt mit rund fünf Mrd. Euro jährlich. Diese Summe müssten großteils andere Nettozahler übernehmen. Laut Expertenschätzungen käme auf Österreich ein zusätzlicher jährlicher Mitgliedsbeitrag von bis zu 150 Millionen Euro zu.

Handel

Für Österreich ist Großbritannien der achtwichtigste Handelspartner. Durch den Brexit ist mit Geschäftseinbrüchen zu rechnen, dass der Warenhandel mit der Insel auf eine neue rechtliche Basis gestellt werden müsste und Währungsschwankungen zu erwarten sind. Die Auswirkungen sollten sich aber in einem engen Rahmen bewegen. Die Wirtschaftskammer rechnet mit einer Reduzierung der Wirtschaftsleistung um 0,05 bis 0,18 Prozent. Im Finanzsektor ist von einer Neuverteilung der Geschäfte von London nach Frankfurt und Paris auszugehen. Das würde österreichische Banken treffen, die derzeit in der Londoner City engagiert sind.

Tourismus

Es ist damit zu rechnen, dass weniger britische Urlauber nach Österreich kommen, weil das Pfund massiv abgewertet hat. Reisen nach Österreich werden dadurch für britische Gäste deutlich teurer, einige werden in billigere Destinationen außerhalb der Eurozone ausweichen. Derzeit kommen rund 800.000 Briten jährlich auf Urlaub nach Österreich.

Arbeitsmarkt

Ein EU-Austritt wird für viele EU-Bürger die Chancen auf einen Job in Großbritannien verringern – auch für Österreicher. „Da die Beschränkungen des EU-Zuzugs eines der Hauptargumente der Befürworter eines Brexit ist, könnte es hier Problemen geben“, ist der Wirtschaftsexperte Kurt Bayer in einer Bewertung für die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) überzeugt. Er verweist auch darauf, dass allein die heimischen Metall- und Maschinenhersteller bei ihren Tochterfirmen in Großbritannien rund 32.000 Arbeitnehmer beschäftigen. Solche von ausländischen Unternehmen gegründete Firmen würden ihr Engagement reduzieren und Arbeitsplätze streichen. Insgesamt leben rund 25.000 Österreicher in Großbritannien. Sie haben vorerst kein Ende ihrer Arbeitserlaubnis zu erwarten. Schwierig wird es allerdings für alle Neuankommende.

Studenten

Der Brexit könnte zudem die Möglichkeiten für heimische Jugendliche einschränken. Derzeit nehmen 500 bis 600 Studenten jedes Jahr das EU-Programm Erasmus in Anspruch, um in Großbritannien zu studieren. Ob diese Möglichkeit weiterhin bestehen bleibt, hängt von den Verhandlungen zwischen Brüssel und London über die künftige Zusammenarbeit ab.

Politische Balance

Der Austritt Großbritannien wird das für 28 Mitglieder ausbalancierte politische Machtgefüge der EU verändern. Im Rat der EU (Regierungsvertreter) wird sich das Quorum für Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit verändern. Bisher bildet Großbritannien mit Ländern wie Schweden und Dänemark immer wieder ein Gegengewicht zur deutsch-französischen Achse. Londons Ausscheiden wird die Macht für die beiden großen Mitgliedstaaten stärken. Davon sind Österreich und weitere kleinere Länder, die bisher oft als Zünglein an der Waage fungieren konnten, betroffen. Im Europaparlament verfügt Großbritannien derzeit über 73 Abgeordnete. Bleibt die Gesamtzahl der Abgeordneten mit 751 gleich, würde Österreich im Fall eines Brexits ein bis zwei zusätzliche Abgeordnete erhalten. Doch dies ist laut Auskunft der Parlamentsverwaltung noch nicht sicher. Die Sitzverteilung soll nämlich 2019 noch vor der nächsten Europawahl neu verhandelt werden.

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