Gebühren – des Staates liebstes Kind

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Nirgendwo in Europa kommt die Bürger der Gang zu Gericht so teuer wie in Österreich. Auch die Gebühren, die hierzulande für Rechtsgeschäfte zu berappen sind, verschrecken ausländische Investoren blitzschnell.

Wien. Gebühren – ohne sie geht in Österreichs gar nichts. In keinem Land der Europäischen Union werden so viele verschiedene und so hohe Gebühren wie hierzulande eingehoben. Das freut den Finanzminister. Für den Wirtschaftsstandort Österreich sind sie jedoch ein Nachteil. Kaum ein amerikanischer oder englischer Unternehmer, der hierzulande eine Niederlassung eröffnen will, bleibt gelassen, wenn er erfährt, dass er für fast jedes Rechtsgeschäft und jede Amtshandlung eine Gebühr zu bezahlen hat. Die hohe Steuerbelastung trägt dann noch das Ihre bei und das Projekt, in Österreich zu investieren, ist schon wieder vom Tisch.

Unter einer Gebühr versteht man eine Leistung an Bund, Land oder Gemeinde, die – im Unterschied zu Steuern – für die Inanspruchnahme einer konkreten öffentlich-rechtlichen Leistung zu erbringen ist.

Wofür so viele Gebühren?

Wofür in Österreich Gebühren zu zahlen sind, regelt das Gebührengesetz. Demnach müssen wir nicht nur für Schriften und Amtshandlungen, sondern auch für Rechtsgeschäfte Abgaben leisten. Für Schriften und Amtshandlungen, wie etwa das Aufnehmen einer Verlustanzeige bei der Polizei, sind feste Gebühren zu bezahlen. Bei Rechtsgeschäften wird die Höhe in Form von Prozentsätzen berechnet. Wer etwa einen einjährigen Miet- oder Pachtvertrag schriftlich abschließt, muss ein Prozent der jährlichen Miete (inklusive Betriebskosten und Umsatzsteuer) an den Staat abführen. Aber auch wer einen Ehe-, Adoptionsvertrag oder einen außergerichtlichen Vergleich abschließt, kommt um Gebühren nicht herum.

Die Österreichische Rechtsanwaltskammer (Örak) kritisiert diese Rechtsgeschäftsgebühren aufs Schärfste. „Es ist in einem modernen Rechtsstaat nicht nachvollziehbar, weshalb etwa Eheleute, die einen Ehepakt abschließen, eine Gebühr von ein Prozent ihres gesamten Vermögens entrichten sollen“, heißt es im aktuellen Wahrnehmungsbericht der Örak. Noch skurriler ist, das zwei Parteien, die einen Streit mittels eines außergerichtlichen Vergleichs beilegen, also die Gerichte gerade nicht beanspruchen, dennoch zur Kasse gebeten werden. Und das kräftig: Grundsätzlich beträgt die Gebühr zwei Prozent vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen. Wird der Vergleich über anhängige Rechtsstreitigkeiten getroffen, beträgt die Gebühr immer noch ein Prozent.

Gerichtsgebühren schrecken ab

Rechtsstaatlich noch deutlich bedenklicher als die Rechtsgeschäftsgebühren beurteilt die Örak die Gerichtsgebühren. Der Grund? Sie erschweren oder verhindern den Zugang zu den Gerichten: „Die Zahl der bei Gericht anhängig gemachten Rechtssachen wird von Jahr zu Jahr geringer. Dieser konstante Rückgang ist ein klares Indiz dafür, dass der Zugang zum Recht in Österreich immer beschwerlicher wird“, kritisiert Rupert Wolff, Präsident des Örak. Eine Ursache dafür seien die hohen Gerichtsgebühren. Sie hätten mittlerweile dazu geführt, dass Bürger genau prüfen müssten, ob sie sich den Gang zu Gericht überhaupt leisten könnten. „Das trifft die breite Mittelschicht und nicht jene, die Verfahrenshilfe erhalten oder jene, die es sich ohnehin leisten können.“

Wolffs Kritik lässt sich auch anhand des CEPEJ(European judicial systems)-Reports des Europarats von 2014 belegen. Ein Vergleich mit anderen EU-Mitgliedstaaten zeigt, dass Österreich unangefochten Spitzenreiter bei den Gerichtsgebühren ist. In Deutschland fällt bei einem Streitwert über 100 Millionen Euro im Zivilprozess eine Gerichtsgebühr von 329.208 Euro an. In Österreich bezahlt man für denselben Rechtsstreit 1.202.987 Euro, also nahezu viermal so viel.

Kein Wunder, dass sich ausländische Unternehmen, die sich hier ansiedeln wollen, davon abschrecken lassen. Denn ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung für oder gegen ein Land ist die Sicherheit, Rechtsstreitigkeiten rasch und kostengünstig beilegen zu können. Wolff: „Daher ist es nicht nur ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit, sondern auch im Sinn der österreichischen Wirtschaft, die Gerichtsgebühren massiv zu senken.“ (hec)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2016)

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