Pharma legt Zahlungen an Ärzte offen

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THEMENBILD: OPERATIONSSAAL(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Um Korruptionsvorwürfe auszuräumen, legt die Pharmaindustrie erstmals in ihrer Geschichte die Geldbeträge an Ärzte und Spitäler offen. Im Vorjahr waren es 101 Mio. Euro.

Wien. Immer wieder tauchen Vorwürfe gegen die Pharmaindustrie auf. Jüngst veröffentlichte Fahmy Aboulenein, Oberarzt am Wiener SMZ-Ost (Donauspital), das Buch „Die Pharma-Falle“. Darin beschreibt er, wie er von Pharmafirmen zu Kongressen nach Hawaii, Sidney, Bangkok und Boston eingeladen wurde. Er habe dies immer abgelehnt, so der Arzt.

In Deutschland und Österreich haben unbestechliche Mediziner schon 2008 die Initiative Mezis gestartet. Mezis steht für „Mein Essen zahle ich selbst“.

Nach dem Motto „Transparenz schafft Vertrauen“ legen nun die österreichischen Pharmafirmen erstmals in der Geschichte ihre geldwerten Leistungen an Ärzte und Spitäler offen. Die Angaben werden bis 30. Juni auf den Homepages des jeweiligen Unternehmens veröffentlicht.

Die Pharmig, der Interessenverband der Pharmaindustrie, hat dazu am Mittwoch erste Details veröffentlicht. Demnach lagen im Vorjahr die geldwerten Zahlungen bei rund 101 Millionen Euro. Davon flossen 54 Millionen an Ärzte, Spitäler und Organisationen für den Bereich Forschung und Entwicklung. Oft handelt es sich um klinische Studien, die bei der Entwicklung von neuen Medikamenten notwendig sind.

Weitere 27 Millionen Euro haben medizinische Organisationen und Einrichtungen an Spenden und Sponsorgeldern für Veranstaltungen und Kongresse erhalten. 20 Millionen Euro bekamen Ärzte für Vorträge, Beratungsleistungen und Fortbildung.

Viele Ärzte legen sich quer

Weil keine Vergleichszahlen aus der Vergangenheit vorliegen, lässt sich schwer sagen, ob die 101 Millionen Euro viel oder wenig sind.

Allerdings gibt es Vergleichszahlen aus Deutschland. Dort zahlte die Pharmabranche im Vorjahr 575 Millionen Euro. Deutschland hat zehnmal so viele Einwohner wie Österreich. Nimmt man den Faktor eins zu zehn, hätten die geldwerten Zahlungen in Österreich nur bei 57,5 Millionen Euro liegen sollen. Doch laut Jan Oliver Huber, Generalsekretär der Pharmig, kann im Vergleich zu Deutschland nicht immer der Faktor eins zu zehn herangezogen werden. Er, so Huber, sei stolz, dass die österreichischen Pharmafirmen so viel Geld für die klinische Forschung ausgeben. Die heimischen Spitäler, Forschungseinrichtungen und medizinischen Universitäten seien in diesem Bereich „international erfolgreich“, so Huber.

Ähnlich sei die Lage bei den Veranstaltungen und Fortbildungen. Laut Huber sei Wien „eine gut besuchte Kongressstadt“. In Wien werden im Pharmabereich viele globale Kongresse und wissenschaftliche Fortbildungsveranstaltungen abgehalten. Damit unterstütze die pharmazeutische Industrie den Standort Wien „ganz besonders“.

Wer nun als Patient wissen will, ob sein Arzt von einer bestimmten Pharmafirma unterstützt wird, stößt bei der Suche auf erhebliche Schwierigkeiten. Denn eine zentrale Datenbank, bei der nach bestimmten Namen gesucht werden kann, existiert nicht. Die Patienten müssen die Homepages von allen 120 österreichischen Pharmafirmen durchforsten. Hinzu kommt, dass viele Ärzte die Zustimmung zur Veröffentlichung ihres Namens verweigert haben. In diesem Fall erfolgt die Bekanntgabe anonymisiert und zusammengefasst.

In Österreich arbeiten über 44.000 Ärzte. Wie viele von der Pharmawirtschaft unterstützt werden, kann die Pharmig nicht sagen. Laut Huber lag bei den Ärzten die Zustimmungsquote zur Veröffentlichung in einigen Bereichen unter 50 Prozent, in anderen Bereichen über 50 Prozent. Laut Huber sei Transparenz in Österreich eine Kulturfrage. Auch die Ärztekammer hofft, dass künftig mehr Ärzte der Offenlegung zustimmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2016)

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