Leitl wünscht sich neue, große Freihandelszone

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LANDTAGSWAHL OBEROeSTERREICH: LEITLAPA/HERBERT NEUBAUER
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Sollte es zum Ausstieg des Vereinigten Königreichs kommen, könnte dies der Startschuss für eine neue, offene Handelszone sein. Dieser könnten dann sukzessive auch andere Länder beitreten, so WKO-Chef Christoph Leitl.

Wien. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl weiß nicht, wie es nach dem Brexit weitergehen soll. Damit ist er aber nicht allein. „Man hat den Eindruck, die Briten wissen das selbst nicht so recht“, sagte Leitl am Dienstag. Wie der Finanzminister will auch der bekennende „glühende Europäer“ Leitl noch nicht so recht daran glauben, dass der Brexit wirklich stattfindet. Trotz Votums. „Was ist das Ergebnis wert?“, fragte Leitl. Das Referendum sei rechtlich unverbindlich. Was der Verunsicherung freilich keinen Abbruch tut.

Für rund 1000 heimische Unternehmen, die mit dem Vereinigten Königreich Handel treiben, sind das keine guten Nachrichten. Erst recht nicht, da das Pfund weiter sinkt. Österreichische Unternehmen machen mit den Briten einen Umsatz von rund vier Mrd. Euro im Waren- und zwei Mrd. Euro im Dienstleistungsbereich, wobei Österreich deutlich mehr auf die Insel exportiert als zurückkommt.

„Aber nicht gratis“

„In der Wirtschaft muss man immer in Alternativen denken. Wie könnte also ein Plan B aussehen. Das wäre eine wirtschaftliche Union mit Großbritannien, nach dem Modell Norwegen. Da muss es auch weitere Beitrittsmöglichkeiten in der Zukunft geben“, so Leitl. Irgendwann könnte dieses Projekt zu einer „größeren Wirtschaftszone“ heranwachsen, die Osteuropa (inklusive Ukraine) genauso beinhalten könnte wie die Türkei oder nordafrikanische Staaten. Gleichzeitig müsse es innerhalb der Eurozone eine stärkere Bewegung hin zur politischen Union geben. Der Brexit würde dazu geradezu einladen. „Das ist von den Briten bisher immer blockiert worden. Länder, die nur an den wirtschaftlichen Vorteilen einer Union interessiert sind, sollen diese auch bekommen – aber nicht gratis“, so WKO-Chef Leitl.

Der österreichische Handelsdelegierte in London, Christian Kesberg, bezeichnete die derzeitige Stimmung heimischer Unternehmen im Vereinigten Königreich als „unbehagliche Gelassenheit“. „Ich habe aber mit keinem geredet, der gesagt hätte, dass er sich darüber freut“, sagte Kesberg. Österreichische Firmen seien zumeist in Nischen gut aufgestellt und sehr schwer zu ersetzen. Als Beispiel nannte er etwa den Maschinen- und Anlagenbau, die Kfz-, Papier- und Holzindustrie sowie den Kommunikationslösungsspezialisten Frequentis.

Es gibt durchaus auch eine positive Perspektive: „Wenn die Briten jetzt deregulieren und die Personenfreizügigkeit behalten, könnten sich die negativen Folgen in Grenzen halten“, so Kesberg. Noch sei nicht von einer langfristigen und tiefen Rezession im Vereinigten Königreich die Rede. „Aber natürlich bedeutet jeder Wachstumsknick, dass sich das Potenzial für Exporte verringert.“ Und: „Es gibt viele Möglichkeiten. Sollten sie sich für einen Protektionismus entscheiden, wären die Auswirkungen massiv.“ (ag./jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2016)

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